Hi Barna!


Schön, daß Du Dich auch mit der Thematik beschäftigst und der Diskussion hier und den Links gefolgt bist. Ich finde es ist ziemlich wichtig, daß sich - vor allem auch die sog. `jungen´(das jetzt nur mal eine Annahme von mir in Bezug auf Dich <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" /> ) - Leute in Angelegenheiten von solch immens weitreichenden Konsequenzen darüber informieren um sich eine möglichst fundierte Meinung bilden zu können - auch wenn sie vielleicht nicht mehr tun können als auf Demonstrationen dieser Ausdruck zu verleihen oder mit andern auszudiskutieren. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />
Tatsächlich bin ich in der Zeit seit dem 11.9. fast zu der Ansicht gekommen, daß es die staatsbürgerliche Pflicht eines jeden ist, dies zu tun, damit "on the end of the day" die wirklichen Sachverhalte, soweit er sie in Erfahrung bringen kann (und der beschränkten Möglichkeiten zur Überprüfung des Wahrheitsgehaltes der so gewonnenen Informationen sehr bewußt! <img src="/ubbthreads/images/graemlins/suspicion.gif" alt="" /> ), nicht in Vergessenheit geraten, auch im Hinblick auf daraus zu ziehende Lehren für zukünftige, ähnliche Situationen.

Laß mich im folgenden allerdings ein paar Fakten korrigieren:

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by Barnabus:

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by Ddraig: Ich würde mich auch nicht als "pazifistisch" bezeichnen. Als die USA vor 12 Jahren gegen den Irak vorgegangen sind, ging dem ein Angriff des Iraks auf Kuwait voraus. Seinerzeit gab es aus diesem Grund auch eine klare Ermächtigung seitens der UN und mit dieser war ich auch völlig einverstanden.

Nun das stimmt ja so nicht. Dieser Angriff wurde erst im nachhinein von der UN legitimiert. Die USA haben also auch damals eigenmächtig gehandelt. Nur mit dem Unterschied das die Voraussetzungen anders waren.


Ddraigg hat in diesem Fall (im Gegensatz zu "immer" <img src="/ubbthreads/images/graemlins/badsmile2.gif" alt="" /> ) tatsächlich uneingeschränkt recht.
Die Resolution 678 des UN-Sicherheitsrates, aus der ich auf einer der vorangegangenen Seiten den entscheidenden Auszug zitiert hatte - das ist genau diese Ermächtigung, wie sie die Alliierten Staaten gegen den Irak - damals nicht nur die USA/GB sondern auch Frankreich, Italien, Australien und weitere mit kleineren Kontigenten - die Anwendung von militärischer Gewalt erlaubte zur Rückgängigmachung der Annexion Kuwaits durch den Irak.
Darin ist sogar ein Ultimatum - allerdings in dem Fall eins des Sicherheitsrates, also der Internationalen Staatengemeinschaft - enthalten, der 15. Januar 1991, IIRC aus dem Gedächtnis.

Ich war damals soz. "live" (am Fernseher <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" /> ) dabei, als George Bush, der Ältere, bei dessen Ablauf der Welt den angelaufenen Angriff gegen den Agressor Irak mitteilte - und bei der Gelegenheit eine `neue Weltordnung´ verkündete, die die USA und auch Europa in der Folgezeit vor allem auch für die jetzt so kritische Region versäumten Realität werden zu lassen.

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by Barna:
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by Ddraigg: Sobald der Irak tatsächlich in irgendeiner Form aggressorisch aktiv wird, kann und muss die UN militärisch reagieren.

Und wie bezeichnest du das was der Iraq in den Kurdengebieten anstellt? Da wird in meinen Augen Völkermord begangen ohne das es die UN auch nur im geringsten interessiert. Oder willst du warten bis Sadam seine eigene Bevölkerung wieder mit B- und C-Waffen angreift. Und genau das ist ja eine beliebte reagtion Sadams auf Unruhen im Lande. Ich würde mich nur ungern danach hinstellen wollen und sagen "Ja wir konnten ja nichts machen. Er hat uns ja nicht gesagt wo er seine Waffen versteckt hat!"


Der Unterdrückung der Minderheiten und Opposition im Irak durch das diktatorische Regime von Saddam Hussein, so sehr ich Deiner ersten Regung recht geben wollte, ist leider ein interner Konflikt dieses Territoriums. Ein Angriff von anderen Staaten ist, genauso bedauerlich, völkerrechtlich ILLEGAL - kann somit noch nicht mal vom Sicherheitsrat authorisiert werden. Wenn, dann wäre die Resolution selbst ebenfalls illegal.
Das hat seine Ursache in der Souveränität eines Staates, die in der UN-Charta unter besonders starkem Schutz steht. Und dies, wiederum, ist begründet durch die diversen Erfahrungen im WW II, wie zum Beispiel dem illegalen Angriff auf Polen 1939 durch Nazi-Deutschland, sowie - wieder mit Polen als Opfer - die Aufteilung des Landes in einem Abkommen zwischen Hitler und Stalin, welches schon davor im geheimen zwischen beiden abgeschlossen worden war.
Deswegen hat auch noch niemand, trotz schwerer Menschenrechtsverletzungen, im Ernst gefordert China, Rußland oder auch Nordkorea (dies stünde jetzt aus anderen Gründen "auf der Abschußliste") et al. militärisch anzugreifen.

Abgesehen davon, speziell im Fall der Kurden - wenn Du auf das vielkolportierte Beispiel des Gifgasangriffes in Halabi durch Saddams Truppen anspielst, bei dem 1988 mutmaßlich über 5000 Kurden getötet wurden:
Zu dem Zeitpunkt, was heute als "gegen Ende des Kalten Krieges" datiert werden würde, interessierte es niemanden von der "Internationalen Staatengemeinschaft", was der Diktator. Bis auf formale diplomatische Protestnoten passierte überhaupt nichts.
Wenn Du fragst warum, lautet die traurige Wahrheit: Weil er "unser Hurensohn" war!
Und zwar im Kampf gegen das Mullahregime in Teheran (Khomeini!).
Zu dem Zweck hatte ihn der Westen im Jahrzehnt zuvor aufgerüstet - die Auseinandersetzung zwischen dem (säkularen) Regime in Bagdad und den (islamisch-fundamentalistischen) Herrschern im Iran gilt übrigens als "1. Golfkrieg", die Sache um Kuwait 1990/91 demnach erst als zweiter - Frankreich, GB, Deutschland, und ja auch die USA selbst, hatten ihm sogar alle Materialien zur Entwicklung von chemischen und biologischen(Anthrax!) Waffen geliefert. Erstere brachte er auch gegen die iranischen Mujaheddin zum Einsatz - wieder ohne großen (ernsthaften) Widerspruch von uns.

Seit 1991 dagegen, nachdem die USA und GB die sog. "Flugverbotszonen" im Norden und Süden des Iraks eingerichtet hatte, war der Zugriff von Saddam sehr beschränkt! Er hatte gerade damit zu tun, die in diesem Gebiet liegenden wichtigen Öllagerstätten um Mossul zu sichern, deren Öl er im Tausch des UN-Programms "Oil-for-Food" (und leider auch mit Schmuggeln <img src="/ubbthreads/images/graemlins/disagree.gif" alt="" /> ) "verkloppte".
Der Bevölkerung ist es sogar gelungen so etwas wie ein halbwegs freie und vom unterdrückerischen Regime in Bagdad autonome Gemeinschaft aufzubauen. Leider gibt es viel Bekriegung vor allem zweier Hauptströmungen untereinander dort.
Das wirst Du auch heute von jedem Kurden von da unten zu hören bekommen!

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by Barna:
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by elgi:
Das Argument ist (oder besser gesagt: war): Unabhängig davon, daß die Irakische Regierung in den letzen Jahren nicht kooperiert hat, waren wir mittlerweile in der Situation, daß die Zusammenarbeit der Inspekteure mit dem Irak besser wurde. Das haben die Inspekteure selbst gesagt! Blix und El Baradei haben mehr Zeit verlangt.


Hätte man, wie nach dem ersten Golfkrieg, kompetente Instpekteure ins Land geschickt, so würde man deren Aussagen auch wesentlich ernster nehmen. Aber diesen unfähigen Haufen? Ich bitte dich. Die würden es doch nciht einmal mitbekommen wenn man die Waffensysteme an ihnen vorbei tragen würde.
Das ist aber nur ein weiterer Punkt in dem die UN völlig versagt hat.
Mit mehr Zeit ist es bei denen nämlich nicht getan. Die Jungs und Mädels gehören erst einmal für ein paar Jahre auf die Schulbank. Damit sie dann überhaupt wissen was sie dort tun und wonach sie suchen.


Wie kommst Du bitte zu dieser Einschätzung der Inspektionen damals und heute?
Nach dem Rauswurf aus Kuwait und der Unterzeichnung des Waffenstillstandes mit Annahme der Auflagen, wie eben z.B. der weitgehenden Abrüstung, durch den Diktator, hatten das damalige Inspektionsteam weitaus weniger Unterstützung!
Dennoch hatten sie nach eigenen Angaben (z.B. der damalige Chef, Scott Ritter) bis zum Ende ihrer Arbeit 95% des fraglichen Waffenarsenals zerstört!
Dies wird übrigens auch durch die Aussage eines ranghohen irakischen Offiziers 1995 (von dem die amerikanischen Medien leider immer nur den ersten Part, nämlich die ausführliche Auflistung und Beschreibung der bis dahin vorhandenen MVW, zitieren, nicht jedoch den letzten Teil - nämlich, daß er höchstpersönlich deren komplette Vernichtung überwacht hatte!
Und das ganze, obwohl die UN-Inspekteure damals den irakischen Behörden wirklich jede Information aus der Nase ziehen mußten und eine Menge von Tricks anwenden.

Wie kommst Du dazu anzunehmen, die Mitglieder des diesmal eingesetzten Teams würden nicht auf diesen Erfahrungen ihr Vorgehen aufbauen?
Wieso sollten sie weniger erfolgreich sein, wenn der Irak (selbstverständlich auch unter dem militärischen Druck[/i] der USA!) dieses Mal sogar wesentlich?
Was weißt Du über die fachliche Qualifikation der beteiligten Wissenschaftler und Experten?
Es waren auch einige `alte Hasen´ dabei, die selbst in Interviews geäußert haben, daß sie überzeugt sind vom Erfolg ihrer Arbeit, weil sie diesmal wüßten wie sie zu suchen hätten und mit welche Tricks Saddams Leute aufwarten würden!
Am Ende, gestern in einem deutschen Fernsehinterview sagte Chefinspektor Hans Blix er hätte vielleicht noch 3 bis 6 Monate gebraucht um mit ziemlicher Gewißheit ein umfassendes Bild des augenblichen Waffenpotenzials des Irak zu bekommen und selbigen zu dessen Abrüstung zu zwingen - die Vorgänger hatten immerhin 7 Jahre!.


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by Barna:
@all
Das die Vorgehensweise der Amis unter alle Sau ist habe ich auch nicht bestreiten wollen. Genausowenig halte ich den Zeitpunkt für den richtigen.
Aber weiter der untätigkeit der UN zuzuschauen ist fast noch schlimmer. Wenn es nach denen gehen würde dann inspizieren die Hanseln noch in 10 Jahren da unten. Ein wirkliches interesse zur Abrüstung des Iraqs fehlt nämlich seitens der UN. Dort verabschiedet man lieber noch ein paar Resulutionen um deren Einhaltung sich kein Schwein kümmert. Und das die Amis nicht versucht haben die Resulution mit friedlichen Mitteln durchzusetzen kann man nun wirklich nicht behaupten. Hätte man von anfang an einen Krieg gewollt hätte man das Kasperletheater in der UN nicht so lange mitgemacht.
Mich stört es nur gewaltig das man hier Sadam als den unschuldig bedrohten hinstellt. Das ist er einfach nicht. Er hat es 12 Jahren lang in der Hand gehabt die jetzige Situation zu vermeiden.


Nach obigem kansnt Du also sehen, daß
- weder die UN `nichts´ getan hat (es sei denn man beugt sich der Auffassung alles ist `Nichsttun´ außer Krieg - nicht wirklich, oder? <img src="/ubbthreads/images/graemlins/rolleyes.gif" alt="" /> <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" /> )
- noch, daß dies nichts gebracht hätte (die Zerstörung der knapp illegalen Al Zahmud 2-Raketen; die Nennung eines Ortes an dem die chemischen und biologischen Waffen vernichtet worden seien; später auch die Erlaubnis zum Einsatz von Überwachungsfluggerät, Drohnen, Mirages, sogar amerikanischen U2s!; zuletzt auch die Einwilligung zu uneingeschränkten Interviews mit irakischen Wissenschaftlern; nochmal ein detailierter Bericht über die Chemiewaffen; ein weiterer zu den Biowaffen in Arbeit...)
- ebensowenig wären 10 Jahre nötig gewesen. Es gab sogar schon allererste Anzeichen, daß die innenpolitische Kontrolle Saddam Husseins am Bröckeln war (womit man "durch die Hintertür" evtl. sogar das eigentlich durch die UN nicht legitimierte, da völkerrechtswidrige(!) Ziel des "Regime-Changes" am Ende hätte erreichen können!).
- das es keine Sache von 12 Jahren war, den zwischenzeitlich war das Ziel ja schon mal weitestgehend erreicht!
- das nicht alle (z.T. ziemlich umfangreichen) Resolutionen komplett nicht erfüllt wurden

Das man mit der tatsächlichen Kooperation `aus Überzeugung´ nicht rechnen kann, das sollte eigentlich jedem klar sein. Demzufolge war diese immer wieder von einschlägiger Seite geäußerte Erwartung naiv und unredlich! Da hätte Hussein schon irgendwann ein "Saulus/Paulus"-Erweckungserlebnis haben müssen - unwahrscheinlich.
Dennoch sollte es doch möglich sein solche Diktatoren mit nichtmilitärischen, wenn eine überwältigende Mehrheit der Staaten der Welt dahintersteht!
Hinter der Aufforderung zur Entwaffung standen alle geschlossen - auch die 190 der UNO-Vollversammlung - nur nicht hinter der Methode, die von Anfang an Plan der USA war!


Gruß,
Ragon

P.S.:
Noch ein wichtiges Wort zur UN: Wie Du vielleicht auch an dem Vorgang beobachten konntest, gibt es eigentlich "Die UN", besonders im Fall des Sicherheitsrates, nicht - dort sitzen Staaten mit jeweils unterschiedlichen Interessen in den möglichen Konfliktfällen, durchaus aufs egoistische, nationale beschränkten.
Auf "der UN" die Verantwortung für etwaiges Versagen abzuladen, ist demnach also prinzipiell etwas widersinnig - sie ist nicht vielmehr als ein Forum, ursprünglich dazu konzipiert, daß die einzelnen Staaten ihre Konflikte, salopp ausgedrückt, "zuerst mit Reden anstatt gleich mit Schlagen" regeln (deshalb ist das Diskutieren und kein "Kasperletehater"). Es ist vielmehr das am nächsten an Demokratische Strukturen auf internationaler Eben herankommende Gebilde was wir haben - und deshalb mehr als wichtig! Ganz abgesehen von den ganzen anderen, für einige Weltregionen zum Teil überlebenswichtigen(!), Teilen, wie den Hilfsorganisationen unter dem Dach der gesamten Organisation (z.B. UNICEF) etc.
Und wenn Du daher jemanden beschuldigen willst für Uneffektivität bzgl. der Situation des Iraks in den letzten 12 Jahren, dann darfst Du dies bitte direkt an die jeweiligen Staaten adressieren, die damals die Handelnden waren - wenn überhaupt, liegt es an deren fehlenden Willen zu einer Kooperation in der Angelegenheit.
Und wenn Du dabei die jeweilige Bereitschaft in dieser Hinsicht der einzelnen Mitglieder bewerten willst, dann zieh´ z.B. heran, wer in welchem Ausmaß bereit war, sich ausgehend von seiner ursprünglichen Position zu bewegen, `Mondforderungen´ erhoben hat, die Inspektoren unterstützt hat etc!!

Das schließt übrigens auch die USA ein, die schon gleich zu Beginn, noch am Ende der Kampfhandlungen, sich nicht nur vor Bagdad zurückgezogen haben, sondern auch noch eine Rebellion der Schiiten, die sie selbst angestachelt hatten, als ihr Angriff nicht mehr gesttoppt werden konnte, im Stich gelassen, ja sogar dem Regime Hussein den Einsatz von Hubschraubern innerhalb des Gebietes zu ihrer Niederschlagung erlaubt, welches später die "Flugverbotszonen" werden sollten!
Die Folgen sind bekannt - sonst müßten wir in wenigen Stunden wahrscheinlich nicht mehr einen erneuten Konflikt mit 10000enden von Toten gewärtigen. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/rolleyes.gif" alt="" /> <img src="/ubbthreads/images/graemlins/rolleyes.gif" alt="" /> <img src="/ubbthreads/images/graemlins/rolleyes.gif" alt="" />

P.P.S.:
Zur weiteren Lektüre eine kurze "Hussein-Biographie"(oder soll man´s schon `Nachruf´ nennen!?), die diese Hintergründe ebenfalls teils aufgreift und heute in der SZ erschien:

SZ: Der Despot aus der Schattenwelt

P.P.P.S.: Ich hoffe, es war Dir nicht zu lang zum lesen! <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" /> <img src="/ubbthreads/images/graemlins/rolleyes.gif" alt="" />