Buad schnauft der Riesin hinterher und ärgert sich schon eine ganze Weile, das er nicht in der Drachenhöhle geblieben ist. In der Dunkelheit erkennt er, wie der winzige Drache Alix etwas ins Ohr flüstert und die Riesin fast mechanisch einen Schritt rechts von der Treppe macht - und verschwindet. Verblüfft folgt der Zwerg dier Riesin und findet sich unvermittelt auf einer von dunklem Moos dicht überwucherten Ebene wieder. In seinem Rücken ragt eine hölzerne Wand in die Höhe, und als der Zwerg sie genau betrachtet erkennt er, dass es die uralte, zerfurchte Rinde des Weltenbaumes ist, der hier offenbar einen gewaltigen Durchmasser haben muss.
Durch ein dichtes Blätterdach sickert nur sehr spärlich helles Licht. Unweit des Zwerges ist ein Teich zu erkennen, auf dem zwei schwarze Schwäne majestätisch ihre Bahn ziehen - wie es die beiden Vögel hier fast ohne Licht aushalten, ist dem Zwerg ein Rätsel, aber vielleicht ist das ja der Grund für ihr schwarzes Gefieder. Nicht unweit von dem kleinen Weiher steht eine alte, einfache Hütte, und vor ihr ein Spinnrad, an dem eine uralte Frau sitzt. Sie ist in ein einfaches leinenes Gewand gekleidet, das von einem schmucklosen, äußerst schlichten Gürtel an der Hüfte zusammengehalten wird.
Merkwürdig ist das Spinnrad: eine Unzahl von silbern schimmernden Fäden tauchen aus dem Nichts auf und laufen in das Spinnrad hinein. Was daraus gesponnen wird, ist nicht zu erkennen. Jetzt steht das Spinnrad still, und die Fäden scheinen zu einem Knäuel verwirrt zu sein.

"Hallo Nidhöggr," sagt die alte Frau ohne aufzuschauen, und es ist nicht erkennbar, wie sie den Drachen erkennen konnte, denn ihr Gesicht ist dem Baum abgewandt.

"Hallo Urd!" entgegnet Nidhöggr fröhlich, "was schaust du so kummervoll? Warum spinnst du das Schicksal nicht?"

"Ach!" meint die alte Frau klagend, und erst jetzt wendet sie sich um. Ein zeitloses Antlitz mit unergründlichen schwarzen Augen blickt den Abenteurern entgegen. "All mein Weben war auf das Ende ausgerichtet - auf Ragnarök! Und nun - geht alles schief! Durch irgendeinen bösen Fluch sind alle Schicksalsfäden durcheinandergeraten! Fast scheint es, als hätte jemand Fremdes im Schicksal herumgepfuscht, jemand, der nicht in diese Welt gehört!" Bei den letzten Worten blickt die Norne Alix und Buad scharf an, und die beiden fühlen sich unter dem unergründlichen Blick alles andere als wohl.
Dann fährt die alte Frau fort: "Thor hat der Midgardschlange einen Schlag versetzt, der sie nur betäubte und ihr den Verstand raubte - noch bevor sie ihn vergiften konnte! Jetzt hockt sie an den Ufern Midgards und grinst blöde, wie ein Idiot! Dann hat der Riese nach Loki gebrüllt und ist seitdem spurlos verschwunden! Loki und Heimdall sind aufeinander los, um sich - wie vorgesehen - gegenseitig umzubringen. Aber Heimdalls Pferd stolperte über den Schwanz der Midgardschlange, und er fiel in eine Schlammpfütze und sitzt jetzt am Rande der Schlacht und schmollt! Und Lokis Pferd, das verwirrt herumtänzelte, ist Fenris auf den Schwanz getreten, als der Wolf gerade nach Odins Kehle schnappen wollte, und der Wolf ist jaulend wie ein geprügelter Hund davongesaust. Zu allem Überfluss ist Naglfar in einen Sturm geraten und leckgeschlagen, obwohl das gar nicht möglich sein sollte. Und als wäre das nicht genug, ist plötzlich allen der Himmel auf den Kopf gefallen, was für allgemeine Verwirrung sorgte - jetzt stehen Odin und Surtr einander gegenüber und diskutieren, anstatt zu kämpfen! Inzwischen hat sich der Himmel in etwas ekliges, grünschimmendes und schleimig wirkendes verwandelt, das ziemlich abstossend riecht - und seit Neuestem fallen auch noch Steine herunter!" Verzweifelt deutet die Norne auf das Spinnrad und die Fäden: "Sieh dir das an! Die Schicksalsfäden haben sich verknotet, obwohl das nie hätte passieren dürfen! Ich habe schon alles versucht, aber ich kann den Knoten einfach nicht lösen!"