Schließlich dringt ein dumpfes Donnern an die Ohren der ungewöhnlichen Gruppe. Der gewundene Weg führt nun steil bergauf, und die Abenteurer müssen auf jeden ihrer Schritte acht geben, um auf dem unebenen, durch den Fels führenden Gang nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Die Hitze nimmt stetig zu, und schon bald steht allen von dem anstengenden Aufstieg und der im Gang herrschenden hohen Temperatur der Schweiß auf der Stirn. Nur die Zwerge scheinen in ihrem Element zu sein und schreiten zügig und unermüdlich voran. Lediglich Buad, der seine Zwergenjahre offenbar zu lange hinter Experimentiertischen statt in Schmieden verbracht hat, fällt hinter seinen Artverwandten etwas zurück.

Das Donnern wird lauter, je weiter die Abenteurer gehen, und schliesslich dringt ein warmer, roter Schein vom Ende des Ganges herein. Die heiße, trockene Luft ist fast unerträglich, und die Kleidung der Gefährten ist nass vom Schweiß und klebt an der Haut. Der Gang mündet in einem großen Schlot von mehr als zwei Dutzend Metern Durchmesser. Am Grunde des Schlotes, tief unter den Abenteurern, zwängt sich träge rotglühendes, geschmolzenes Gestein durch ein Felsenbett. An einigen Stellen ist die Kruste erstarrt, an anderen Stellen ist sie aufgebrochen und gibt den Blick frei auf flüssigen Fels, der unter der Kruste schnell dahinschießt. Flammen tanzen über den Lavastrom, und immer wieder springen kleine Fontänen der grell leuchtenden Lava empor und entladen ihre Energie in kleinen Eruptionen. Nach oben muss der Schlot eine Öffnung haben, denn die heiße Luft faucht orkanartig an der Gangmündung vorbei.

Fasziniert blinzelt Buad in das bedrohliche Flammenmeer tief unter sich, den ihm entgegenschlagenden Gluthauch ignorierend. Der Sog, der durch die erhitzte Luft entsteht ist jedoch so groß, dass er den Zwerg beinahe aus dem Gang gezerrt hätte. Im letzten Augenblick kann Schädelspalter den leichtsinnigen Alchimisten zurückreißen.

"Der Weg führt am Rande des Schlotes hinab bis zum Kochenden Strom!" brüllt der Bergkönig, um das Donnern der aufsteigenden Luftmassen zu übertönen. "Er wurde seit Generationen nicht mehr beschritten, doch ich erinnere mich an Stellen, die bereits damals hoch über dem Strom entlangführten, links und rechts nichts weiter als die brüllende Luft und unter sich den kochenden Stein! Künstliche Brücken - keiner weiß, ob sie überhaupt noch existieren oder schon längst eingestürzt sind!"
"Soetwas habe ich noch nie gesehen!" schreit Buad zurück, und seine Augen glänzen vor Begeisterung; dass er Augenblicke zuvor um ein Haar ein heißes Ende in dem kochenden Fels gefunden hätte, scheint ihn nicht im Geringsten zu beeindrucken. "Ein unterirdischer Lavafluss! Unglaublich!"
"Das Flussbett wurde künstlich angelegt!" brüllt der Geode dem Alchimisten ins Ohr. "Weiter hinten quillt die Lava unablässig aus der Erde hervor und hat sich hier früher aufgestaut, bis der Druck zu groß wurde und der Vulkan schliesslich ausbrach! Deshalb haben wir ein Felsbett gegraben und leiten die Lava nun ab!"
"Ich würde es nicht glauben, wenn ich es nicht selbst sehen würde!" antwortet Buad. "Von allen Leistungen der Zwerge ist das vielleicht die verwegenste und gewaltigste - einen Vulkan zu zähmen! Was für eine Tat!"
"Der Vulkan mag gezähmt sein, doch der Kochende Fluss selbst ist noch immer gefährlich und tückisch!" ruft der Bergkönig. "Selbst wenn der Weg am Rande des Schlotes überwunden werden kann - später müssen wir ein Stück auf der erstarrten Kruste der Lava laufen! Die Kruste ist zwar erstarrt, aber sie ist noch immer sehr heiß und keiner weiß, wann sie bricht, und wenn sie ohne jede Vorwarnung unter den eigenen Füßen nachgibt, stürzt man in den darunter fliessenden Strom aus geschmolzenem Gestein!"
"Wir haben schon Verrückteres getan!" entgegnet Buad, und als er den zweifelnden Blick des Bergkönigs sieht, setzt er hinzu: "Wir sind z.B. mit einem Boot, dass praktisch nur aus in Stoffschläuchen gefangener Luft bestand, über das Meer gefahren! Das nenne ich verrückt!"
Der König nickt kurz und bedeutet den Abenteurern, ihm zu folgen. Er wendet sich nach links, wo ein kaum zu erkennender, schmaler Spalt im Fels klafft, der seitwärts in einen abwärts führenden Gang unmittelbar am Rande des Schlotes führt. Stellenweise ist die Felswand zwischen Gang und Schlot so dünn, dass durch Risse des Gesteins das unstetet flackernde Licht der Glut hineindringt. Manchmal fehlt die Felswand ganz, hinabgestürzt in die Tiefe, und der Gang ist nicht mehr als eine Ausbuchtung in den glatten, senkrechten Wänden des Schlotes, in die sich nun die Abenteurer einer nach dem anderen hineinpressen und krampfhaft darauf bedacht sind, den Abstand zwischen sich und dem tödlichen Abgrund möglichst groß zu halten.