Sehr unterhaltsames Spiegel-Interview mit Schmidt:

[b]TV-ENTERTAINER - "Ich nehme, was kommt"[/b]

ARD-Entertainer Harald Schmidt, 47, über die Steilvorlagen, die ihm das politische Berlin neuerdings wieder liefert, die Geister, die er mit der Vokabel "Unterschichtenfernsehen" rief, und seine Suche nach einem neuen Selbstverständnis

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SPIEGEL: Ab welchem Nettoeinkommen ist man reif für Ironie?

Schmidt: 3753 Euro pro Monat ... wäre das okay für Sie? Damit lebt angeblich der deutsche Durchschnitt, wie ich kürzlich las.

SPIEGEL: Wenn man die Qualität der Zuschauer am Monatseinkommen misst, versammeln "Musikantenstadl" und "Alarm für Cobra 11" deutlich mehr Elite vor dem Fernseher als Sie. Schlimm?

Schmidt: Das habe ich nicht anders vermutet. Woher kommen denn die sieben Millionen, die Rosamunde Pilcher schauen? Das sind im Zweifel überwiegend frustrierte, kinderlose, irgendwie noch linke Mittdreißigerinnen. Die behaupten dann gern, sie schauten das mit ironischer Distanz. In Wirklichkeit hocken sie auf der Couch, fressen Chips und heulen. Es herrscht in diesem Land eine Riesensehnsucht nach einem Leben jenseits von Hartz IV. Wenn wir noch eine Elite haben - was soll die auch sonst schauen? Muss ich Ihnen wirklich mit meiner eigenen uralten Pointe kommen, dass ein Land, in dem nicht mindestens acht Millionen "Musikantenstadl" schauen, unregierbar ist?

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Schmidt: Das Gegenteil ist der Fall. Wer in meiner Branche jammert, er habe als Promi kein Privatleben mehr, soll halt arbeiten gehen. Mein Schlüsselerlebnis war ein Will-Smith-Interview. Der will es nie mehr erleben, dass er samstags in einen Supermarkt geht und nicht erkannt wird. Ich lese alles, wo eventuell mein Name auftauchen könnte. Das ist ja mein Problem, dass es mich schon in Krisen stürzt, wenn ich einen Tag lang bei Google erst auf Seite vier vorkomme, weil die ersten drei von Regionalliga-Handballspielern oder Kleinstindustriellen namens Harald Müller oder Werner Schmidt blockiert werden. Und die Fotohandys sind wirklich die Zukunft des mobilen Marktes.

SPIEGEL: Sie würden auch vor einem Schmidt-Handyklingelton nicht zurückschrecken, wenn es Geld brächte.

Schmidt: Passt leider nicht zur Marke, haben mir die Mobilfunkbetreiber erklärt. Aber Content zum Streamen und Downloaden ist das Zauberwort. Ich versteh das alles nicht, rede aber inzwischen bedeutend mit bei den Meetings und Pitches.

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Schmidt: Walter Ulbricht soll früher jeden Morgen in der "Prawda" gelesen haben, was gewünscht wird. Finde ich gut. Also verehre ich die 14- bis 49-Jährigen. Vielleicht werden irgendwann die 75- bis 90-jährigen Frauen umworben. Und auch wenn es schwer sein dürfte, die von Kerner wegzuholen, werde ich dann der Erste sein, der die Hacken zusammenschlägt und ruft: Jawoll, die haben wir bisher sträflich vernachlässigt.

SPIEGEL: War das gerade ein Scherz über die öffentlich-rechtlichen Anstalten?

Schmidt: Nein, über Kerner. Die ARD umarmt mich so herzlich, dass mir die Luft wegbleibt. Mein Programmdirektor Dr. Günter Struve hat quasi per Dogma verkündet, ich dürfe alles sagen. Ihnen muss ich nicht erklären, dass ich mit solchen Erlassen wie in Watte laufe ...

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SPIEGEL: Das schafft ein kreatives Dilemma. Sie haben schließlich früh kapiert, dass Sie es nur mit Bildung schaffen können. Inzwischen gehören Sie zur finanziellen wie intellektuellen Elite dieses Landes und merken, wie schrecklich öde auch das sein kann, wenn jeder Intendant sofort seinen Spielplan für Sie freiräumen würde. Wenn einem alle aus der Hand fressen.

Schmidt: Nie hat jemand mein Problem so brillant formuliert. Letztes Jahr saß ich an den schönsten Stränden dieser Welt. Manchmal rief ich mit einer Telefonkarte zu Hause an, fragte, wer was von mir wolle, und sagte nein. Die Sonne ging auf, die Sonne ging unter. Man fängt an, um neun Uhr Pils zu trinken. Morgens. So konnte es nicht weitergehen. Jetzt bin ich wieder hier und werde genau mit dem von Ihnen skizzierten Thema konfrontiert.

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Nigel Powers: "There are only two things I can't stand in this world. People who are intolerant of other people's cultures... and the Dutch!"