Joseph Kardinal Ratzinger: Salz der Erde

Nachdem ich aus der Autobiographie, wie oben zu lesen, nicht das erfahren habe, was ich mir erhofft hatte, und über dieses Buch in letzter Zeit viel gutes zu hören war, mußte ich es eben lesen.
Als Autor habe ich, wie es auf dem Buchdeckel steht, Ratzinger alleine angegeben, das ist allerdings eigentlich nicht korrekt. Da fehlt nämlich eine Person, Peter Seewald, ein Journalist, der irgendwann mal im Auftrag der Süddeutschen mit Ratzinger in Kontakt gekommen war. Das ganze Buch ist ein Transkript einer Tonbandaufzeichnung eines Gesprächs zwischen den beiden, wobei Ratzinger weder vorher die Fragen bekannt waren, noch etwas nachträglich geändert wurde. Und diese Konstellation macht das Buch dann auch so interessant, weil Seewald, aus der Kirche ausgetreten, eine andere Perspektive reinbringt, oder auch mal nachhakt, was dem ganzen ausgeprochen guttut.
So fragt er z.B. in dem Teil, in dem es um Ratzingers Lebenslauf geht, mal nach, ob er denn nie Zweifel gehabt hätte, ob es das richtige sei, Priester zu werden, und im Zölibat zu leben. Die entwaffnend ehrliche Antwort (ungefähr): "Naja, unser Priesterseminar war augebombt, und deswegen waren wir mit den weiblichen Studenten in einem Haus untergebracht, da kamen einem dann schon mal Zweifel."
Das Buch teilt sich im Wesentlichen in drei Teile: Person Ratzinger (Biographie), Katholische Kirche und ihre Probleme, Zukunft der Welt und des christl. Glaubens. Besonders bei den letzten beiden Teilen, helfen die Fragen Seewalds, daß man das erfährt, was ich eigentlich erfahren wollte, nämlich wie Benedikt XVI eigentlich denkt - und ich denke, hier würde mancher sich verwundert die Augen reiben. Klar ist, daß er die Welt letztlich von einem christlichen Standpunkt aus sieht, aber vom Großinquisitor ist hier nun wirklich nichts, aber auch gar nichts zu spüren.
Wer also weiterhin sein mediales Zerrbild vom Panzerkardinal aufrecht erhalten will, sollte einen großen Bogen um dieses Buch machen. Empfehlen kann ich das Buch denjenigen, die sich ernsthaft mit so etwas befassen wollen. Wem Gott, Kirche, usw. völlig egal sind, der wird wohl eher etwas gelangweilt sein.
Aber anscheinend sind Gespräche mit Benedikt XVI nicht ganz ohne Nebenwirkungen. Peter Seewald ist inzwischen wieder in die Kirche eingetreten, und praktizierender Katholik.


"In jedem Winkel der Welt verborgen ein Paradies"