Nachdem bislang noch niemand auf meinen Beitrag weiter oben geantwortet hat, kennt wohl bislang noch keiner die "Gezeitenwelt". Da ich mittlerweile eineinhalb weitere Bände der Reihe gelesen habe, werde ich jetzt doch mal etwas genauer darauf eingehen.
Erstmal das Grundsätzliche, auch wenn ich es teilweise bereits früher erwähnt habe: Die "Gezeitenwelt" ist ein monunmentales Fantasy-Projekt, das von den vier (teils ehemaligen) "Das Schwarze Auge"-Autoren Bernhard Hennen (war der Initiator), Hadmar von Wieser, Thomas Finn und Karl-Heinz Witzko vorangetrieben wird, unter Mithilfe allerdings zahlreiche Wissenschaftler, die dafür sorgen, daß die Gezeitenwelt so realistisch wie nur irgend möglich beschrieben wird.
Im Zentrum der Geschichte steht ein Meteoriteneinschlag auf der Gezeitenwelt, der u.a. zwei gewaltige Flutwellen und eine kleine Eiszeit nach sich führt und daher sämtliche Kontinente und Zivilisationen erheblich beeinflußt. Auch, weil quasi als Nebenwirkung die Magie wieder auf die Gezeitenwelt zurückzukehren beginnt ...
Die ersten fünf Bände (die mittlerweile alle erschienen sind, allerdings leider erst die ersten drei als Softcover) widmen sich vorrangig der Beschreibung der Ausgangssituation und der unmittelbaren Auswirkungen der Katastrophe auf die verschiedenen Zivilisationen, in den weiteren Bänden sollen die Handlungsfäden dann weitergesponnen und stärker miteinander verknüpft werden.
Begonnen habe ich die Reihe jedoch mit dem Prequel "Das Geheimnis der Gezeitenwelt", das von allen vier Autoren gemeinsam geschrieben wurde und das ich in meinem letzten Beitrag bereits erwähnt hatte. Dieses Prequel spielt ca. 500 Jahre vor den Ereignissen der eigentlichen Reihe, zu einer Zeit, als die Magie und die Existenz von Fabelwesen wie Riesen oder diversen Ungeheuern noch ganz normal ist.
Aber zur "Gezeitenwelt"-Reihe an sich:
DER WAHRTRÄUMER von Bernhard Hennen:
Bernhard Hennen erzählt in seinem 600-Seiten-Werk vier unterschiedliche Erzählstränge, die sich teilweise kreuzen.
Einmal geht es um die junge Walfängerin Alessandra, die von der Kirche als Märtyrerin auserwählt wird, sich ihrem Schicksal jedoch entzieht und deshalb von der Kirche gejagt wird.
Genau genommen vom hochrangigen Priester Francisco, der für Alessandras Transport zum Opferplatz verantwortlich war und sein Versagen ausmerzen will. Das ist der zweite Erzählstrang, in dem sich Francisco allerdings auch noch mit kirchenpolitischen Intrigen und einer mafiösen Verbrecherorganisation auseinandersetzen muß.
Weiter gibt es noch den jungen Schamanen Seruun, der nach dem Tod seines Lehrmeisters seinen Stamm und dessen Herden in neue Weidegründe führen muß, dabei aufgrund seiner mangelnden Erfahrung jedoch auf große Skepsis stößt.
Und schließlich steht der Armeeanführer Joacino da Gona im Blickpunkt, der nach dem Zusammenbruch des Imperiums, dem er dient und dessen Ordnung durch den Meteoriteneinschlag zerstört wurde, versucht, das Chaos zu überwinden und die Reste des Imperiums zusammenzuhalten.
Diese vier Erzählstränge behandelt Bernhard Hennen äußerst geschickt. Sie werden dem Leser nicht etwa quasi auf einen Schlag präsentiert, sondern stattdessen langsam, nach und nach eingeführt. Zuerst geht es primär um Alessandra, während vorsichtig Francisco eingeführt wird. Dann ist Francisco die Hauptperson, Alessandra verschwindet eine Zeitlang fast völlig und gleichzeitig wird mit Seruun bereits der nächste Erzählstrang eingeführt.
Dieses behutsame Vorgehen führt dazu, daß der Leser nicht überfordert oder schlicht verärgert wird, weil ständig zwischen den verschiedenen Handlungen gesprungen wird. Auch die Cliffhanger sind relativ spärlich gesetzt und behalten damit ihre Wirkung bei.
Erfreulicherweise sind zudem alle vier Handlungsstränge sehr interessant, zumindest für mich gab es eigentlich keinen, bei dem ich mir dachte: "Och, schon wieder DAS. Hoffentlich springt der Autor bald wieder zum nächsten Strang!"
Die Geschichten, die Hennen erzählt, sind spannend, unterhaltsam, manchmal sogar amüsant - eine sehr gute Mischung!
Das einzige, was mich etwas stört und zwar auch insgesamt bei der "Gezeitenwelt": Die Anlehnungen an irdische Verhältnisse sind mir ein wenig zu stark. Gerade bei einer komplett neuen Fantasy-Welt hätte ich mir weniger davon gewünscht.
Stattdessen sind bei "Der Wahrträumer" die Anspielungen an Spanien und Italien unübersehbar (nicht nur, was die Namen betrifft) und beim zweiten Teil "Himmlisches Feuer" steht dann ein deutlich an China gemahnendes "Reich der Tugend" im Mittelpunkt.
Aber das ist natürlich nur ein marginaler Kritikpunkt, insgesamt hat mir Hennens "Der Wahrträumer" sehr gut gefallen und ich gebe ihm die Note 1-.
Mit "Himmlisches Feuer" von Hadmar von Wieser bin ich auch bald durch, dann folgt die nächste Rezension - mangels Einführung sicherlich etwas kürzer ... <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />