Harald Evers: Die Kathedrale
Ja genau, das gleiche Buch, das auch Patarival etwas weiter oben besprochen hat. Aus irgendeinem Grund hatte ich schon immer ein Interesse an dem Textadventure, aber da ich wohl eh nie dazu kommen werde, es zu spielen, kam mir diese Buchversion gerade recht. Im Gegensatz zu Patarival habe ich jedoch die neue, überarbeitete Version gelesen.
Also wie bereits erwähnt werden Frank und Dani, zwei alte Schulkameraden, die sich nach zehn Jahren zufällig wieder treffen, übers Wochenende in der St.-Pauls-Kathedrale zu Schönau eingesperrt, und finden dabei heraus, daß sie nun der über 600 Jahre alten Rache des Erbauers der Kathedrale ausgeliefert sind. Sechs Schrecknisse hat er in der Kathedrale untergebracht, und jedem müssen sich Frank und Dani entgegenstellen.
Und da liegt auch schon das erste Problem des Romans. Sechs Schrecknisse, die es zu überwinden gilt, mögen eine nette nichtlineare Handlung für ein Computerspiel sein, als Buch ergibt es aber aber einen viel zu vorhersebaren Ablauf. Man erfährt am Anfang, was passieren wird, und dann wird eben ein Schrecknis nach dem anderen abgehandelt, wobei man dabei die Reihenfolge auch beliebig umstellen könnte. Überraschende Wendungen oder Erkenntnisse gibt es nicht. Ein Schrecknis wurde (laut Nachwort) im Vergleich zur früheren Fassung durch ein anderes ersetzt, was sich jetzt so bemerkbar macht, daß es das einzige ist, das nichts mit übernatürlichen Kräften zu tun hat.
Ein anderes Problem ist, daß der Autor von Katholizismus, Kirchenarchitektur und Geschichte nicht sonderlich viel Ahnung hat, und wohl auch von Recherche nicht so viel hält, und so sind Hostien eben Backoblaten, die Empore samt Orgel befindet sich über dem Altar, und der Unterschied zwischen Julianischem und Gregorianischem Kalender besteht darin, daß der Gregorianische die Schaltjahre eingeführt hat.
Die unvermeidliche Liebesgeschichte zwischen Frank und Dani ist ziemlich unbeholfen und amateurhaft geschrieben. Ungefähr zur Hälfte des Buches bekommt der Autor plötzlich Lust auf eine Sexszene, weil ihm aber anscheinend durchaus bewußt ist, daß er es nicht hinkriegen würde, diese einigermaßen glaubhaft einzuleiten, wachen Frank und Dani einfach mal so am Kapitelanfang nackt nebeneinander auf, ohne zu wissen, wie sie in diese Lage gekommen sind. Macht aber nix, jetzt gibt's ja nen guten Grund zu poppen. Und diese gesamte Szene hätte auch von einem sechszehnjährigen stammen können.
Auch wenn der Einfall nicht sonderlich neu ist, besteht auch hier der "Endkampf" in einem Schachspiel. Was allerdings durchaus neu ist, ist, daß ein Schriftsteller ein solcher Fan dieses Spiels ist, daß er das komplette Spiel beschreibt, indem er immer angibt, welche Figur von wo nach wo zieht. Das liest sich natürlich ganz toll, und ist sehr hilfreich, weil man ja immer das komplette Spielfeld samt Feldnumerierung im Kopf hat. Danach gibt es noch eine ziemlich wirre Überraschung und ein abruptes und unlogisches Ende, und man denkt, man habe dieses Buch geschafft.
Womit man da noch nicht gerechnet hat, ist daß der Autor, der gerade auf 400 Seiten seine Unkenntnis über die Thematik zu Papier gebracht hat, vor dem Nachwort noch eine Art Kapitel folgen läßt, in dem er sich seinen ganzen triefenden Haß auf die Katholische Kirche von der Seele schreibt. Gell, und nicht vergessen "erst 1821 wurde die letzte Enklave der Heiligen Inquisition aufgelöst [komisch, ich dachte das sei der Hl. Pius X 1908 gewesen] aber noch heute existieren in der Katholischen Kirche Zellen, welche auf diese mörderische Institution des dunklen Mittelalter gründen." Na, vielleicht sollten sie den Autor auf den Scheiterhaufen bringen, dann würden uns wenigstens weitere dunkle Kapitel in der Geschichte der Literatur (zwei Fortsetzungen werden im Nachwort angekündigt) erspart bleiben.