Man sollte nicht vergessen, daß diese Geschichte mit der schwangeren Frau meines Wissens bisher nur von amerikanischer Seite gemeldet wurde. Es gibt noch keine Bestätigung dafür. Und selbst wenn es sie gäbe, würde ich Ddraig zustimmen: Dies ist keine Entschuldigung für die US-Soldaten, wenn sie Zivilisten willentlich abknallen. Es ist vielmehr die Konsequenz dessen, was die Amis selbst zu verantworten haben, nämlich Krieg zu führen, in einem Land, das geradezu brachliegt, das seit Jahren unter einem Embargo darbt, das von einem Diktator gelenkt wird. Nimmt man all das zusammen, kann und muß man zu dem Schluß kommen, daß eben solche Mittel eingesetzt werden im Kampf gegen die Angreifer. Und mich dünkt als ob die sog. Koalition der Willigen eben diese Komponente vollkommen unterschätzt hat. Sie haben wohl gedacht, daß der Bevölkerung einer abgeht, wenn sie einmarschieren, und daß die Armee nach den ersten drei Schüssen die weiße Fahne hissen würde. Daß dies ein sträflichst naiver Irrtum war, sollte klar sein. Dies ist übrigens in meinen Augen der letzte in einer Reihe von entscheidenden Fehlern der US-Regierung.
Der allererste Fehler war sicherlich die Entscheidung, in den Krieg zu ziehen. Es gibt ja genug Hinweise und Indizien, daß diese Entscheidung nicht erst gestern und auch nicht erst am 12. September getroffen wurde, sondern von den jetzigen Machthabern schon vor mehr als 10 Jahren in einer Art Programm entwickelt wurde, das nur eines im Sinn hat, nämlich die Hegemonie der Vereinigten Staaten zu gewährleisten. Und da liegt meiner Meinung nach der Fehler dieser verwirrten Kriegstreiber: die USA haben schon eine entscheidende Vormachtstellung und es ist keineswegs selbstverständlich, daß diese durch Krieg entscheidend verbessert wird. Durch ihre seit langen Jahren gewohnte Strategie, vor allem durch wirtschaftlichen Druck erfolgreich zu sein, hatten sie schon relativ viel in der Hand, was man sicherlich auch durch die bis dato von der Weltgemeinschaft mitgetragenen Militäreinsätze hätte festigen und sogar erweitern können. Dazu kommt dann noch die politische Macht, die einhergeht mit der wirtschaftlichen und militärischen Power, die sich die USA durch jahrelange Anstrengungen angeeignet hatten. Und in dieser Situation ist es die denkbar schlechteste Strategie, auf Krieg zu setzen. Daß die US-Regierung diesen Krieg nicht führt, weil sie der irakischen Bevölkerung helfen will, sondern nur aus Eigeninteresse, sollte allen klar sein - wenn Bush sogar von Selbstverteidigung spricht, bleiben nicht viele andere Erklärungen übrig. Wenn man dann noch die wirtschaftlichen Verstrickungen der US-Machthaber sieht, weiß man bescheid. Aber wie gesagt, sogar im Eigeninteresse ist es geradezu sinnlos, diesen Krieg zu führen. Er kostet zu viel, er ist nicht automatisch gewonnen, er muß relativ alleine geführt werden, er isoliert die Kriegstreiber.
Und das ist der zweite Fehler: die diplomatische Ebene. Hätten die Amis sich an Blairs vergebliche Anbiederungsversuche gehalten, hätten sie noch einige Wochen gewartet. Mit ihrer wohlbekannten Desinformationspolitik und eventueller "covert ops" hätten sie schon Sorge dafür leisten können, daß die friedliche Lösung nicht zu Potte käme. Gleichzeitig hätten sie ein bißchen Diplomatie betreiben können, ein bißchen Wirtschaftshilfe hier, ein bißchen politischer Druck dort, und man hätte sehr wohl größere Teile der Welt auf die eigene Seite ziehen können. Aber stattdessen hat die US-Regierung die Diplomatie total außer Acht gelassen und sich nicht um den Rest der Welt gekümmert. Die unmittelbarste Auswirkung dieses Vorgehens ist die fehlende Nordfront, der die Türkei wohl zugestimmt hätte, wenn es ein UN-Mandat gegeben hätte. Aber nichts dergleichen. In einem unwirklichen Anfall politisch-diplomatischen Wahnsinns hat man sich dann doch für das elefantöse Vorgehen im Porezellanladen der Welt entschieden und damit Jahrzehnte der Weltpolitik in die Tonne getreten - die Konsequenzen dieser Entscheidung sind nicht abzusehen.
Der dritte große Fehler ist nun also der, den ich oben schon erläutert habe: Entscheidest Du Dich für Krieg, solltest Du ihn auch so gut es geht gewinnen. Du solltest nicht in einem kleinen Bereich im Süden einfallen und dann sofort ins Zentrum des Landes vorpreschen, während Du das Gebiet in Deinem Rücken nicht sicherst, darunter die zweitgrößte Stadt Deines Feindes. Diese 500Meilen-Front, die sie durchs Land gezogen haben, ist nicht nur in meinen Augen geradezu lächerlich. Über die Fehleinschätzung der feindlichen Truppen und der Zivilbevölkerung habe ich mich ja zu Genüge geäußert. Entscheidend ist meiner Meinung nach, daß noch nichts wirklich entschieden ist. Keine Stadt in der Größe von Bagdad wurde, so habe ich mir sagen lassen, in der Geschichte der Kriegsführung eingenommen - die Invasion ging entweder schief oder wurde durch die Zerstörung der Stadt "vollendet". Dies ist ja eigentlich, was die tolle Koalition gerade nicht will. Aber sie werden wohl nicht drumherum kommen, wenn sie Bagdad erobern wollen. Von der heutigen Meldung, daß man die Stadt nicht einnehmen sondern eher isolieren will, halte ich indes nichts. Das ist eher die Bestätigung dafür, daß man sich ganz gehörig verschätzt hat. Und dieser Fehler könnte sie noch teuer zu stehen kommen.
In Zusammenhang mit dem Angriff auf Bagdad und der Eroberung des Saddam-Hussein-Flughafens:
"Unkonventioneller" Gegenschlag in dieser Nacht
Der irakische Informationsminister Sahhaf hat gegenüber den näher rückenden US-Truppen finstere Drohungen ausgesprochen: Sie seien umzingelt und hätten keine Chance zu überleben. Für die kommenden Stunden kündigte er unkonventionelle Handlungen an.
Bagdad - Mohammed Sajjid Sahhaf bestritt, dass der Flughafen von Bagdad in amerikanischer Hand sei. Die US-Truppen dort seien vollständig umstellt und isoliert worden. Der irakische Minister forderte deshalb die US-Einheiten am Freitag in Bagdad auf, sich zu ergeben. "Nach unserer Einschätzung wird es schwierig für irgendeinen von ihnen, da lebend rauszukommen."
Sahhaf kündigte den Truppen eine "nicht konventionelle" Nacht an. Es seien ganz neue Arten der Kriegsführung, die bevorstünden. Es würden jedoch keine Massenvernichtungswaffen eingesetzt. "Der einzige Weg, wie man mit diesen Söldnern umgeht, ist, dass man sie im Dunkeln und mit nicht konventionellen Mitteln bekämpft." Auf Nachfrage eines Journalisten erklärte Sahhaf, man solle sich auf die Geschichte zurückbesinnen, es würde eine Art Märtyrer-Operation werden. Nach Darstellung des irakischen Ministers sind US-Einheiten auch im Süden und Westen des Landes isoliert worden. Sahhaf sagte, es seien Panzer zerstört und Soldaten getötet worden.
Nigel Powers: "There are only two things I can't stand in this world. People who are intolerant of other people's cultures... and the Dutch!"