LUCKY # SLEVIN:

Slevin (Josh Hartnett) hat echt einen miesen Tag: Gerade hat er in der Wohnung seines Freundes Nick geduscht, da wird er - nur mit einem Handtuch "bekleidet" - von zwei grobschlächtigen Kerlen abgeholt, die ihn für Nick halten und zu einem gewissen "The Boss" bringen sollen. Dieser Boss (Morgan Freeman) entpuppt sich als Gangster, bei dem Nick enorme Spielschulden hat - und die soll nun Slevin (dem der Boss natürlich nicht abkauft, daß er NICHT Nick ist) abbezahlen, indem er den Sohn seines großen Widersachers, genannt "The Rabbi", töten soll ("Wieso nennt man ihn den Rabbi?" - "Weil er ein Rabbi ist." <img src="/ubbthreads/images/graemlins/biggrin.gif" alt="" />). Notgedrungen stimmt Slevin zu.
Kaum zurück in der Wohnung, erhält er erneuten Besuch - wiederum von zwei grobschlächtigen Kerlen, die diesmal allerdings eindeutig jüdisch aussehen. Wieder muß Slevin mitkommen und erfährt, daß sein Kumpel Nick auch beim Rabbi (Sir Ben Kingsley) Schulden hat ...

Wenn eine Independent-Produktion mit einem Cast aufwarten kann, zu dem die OSCAR-Gewinner Sir Ben Kingsley und Morgan Freeman zählen, dazu Bruce Willis, Stanley Tucci, Lucy Liu, Danny Aiello, Robert Forster, Mykelti Williamson und Peter Outerbridge, dann muß dieser Film in der Regel ein ganz besonderes Drehbuch haben (oder einen ausgesprochen talentierten Regisseur). Und tatsächlich lebt "Lucky # (sprich: Number) Slevin" vor allem von seinen Dialogen und natürlich den tollen Darstellern.
Man kann den Film wohl mit Werken wie "Pulp Fiction", "Kiss, Kiss, Bang, Bang" und vor allem "Bube, Dame, König, GrAs" vergleicht: Es ist eine rasante Action-Komödie, die allerdings mehr von den Dialogen als den vergleichsweise wenigen (aber gelungenen) Action-Szenen lebt. Wie Autor Jason Smilovic im Audiokommentar freimütig zugibt, hat er sich bei seinem Drehbuch die guten, alten Screwball-Komödien von Billy Wilder, Ernst Lubitsch oder George Cukor zum Vorbild genommen - und wenngleich sein Film nicht an die großen Meisterwerke seiner Vorbilder herankommt, ist ihm doch eine ausgesprochen amüsante Hommage gelungen, vor allem bei den beinahe stakkatohaften Dialog-Duellen (speziell zwischen Hartnett und Liu), angereichert mit etlichen augenzwinkernden Filmzitaten. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />
Die Handlung selbst ist extrem wendungsreich und überraschend, wenn auch mitunter vielleicht doch ein wenig überkonstruiert. Die innovative Kameraführung weiß ebenso wie die Musik zu überzeugen, doch ein Highlight sind natürlich die Schauspieler:
Während Hartnett als großmäuliger Taugenichts ebenso sichtlichen Spaß hat wie Lucy Liu als seine redselige Zufallsbekanntschaft, Bruce Willis wieder mal als ultracooler, wortkarger Held/Gangster überzeugt und Stanley Tucci als miesepetriger Cop sogar leicht unterfordert wirkt, sind es zwei der besten Schauspieler dieser Zeit, die "Lucky # Slevin" zu etwas außergewöhnlichem machen: Morgan Freeman und Sir Ben Kingsley dominieren jede Szene, in der sie zu sehen sind - und jene schön lange Sequenz, in der beide zusammen (oder gegeneinander?) spielen, ist ein wahrer funkensprühender Genuß, vergleichbar mit dem ersten filmischen Aufeinandertreffen von Robert DeNiro und Al Pacino in "Heat"! Übrigens: Meiner Meinung nach zeigt diese Szene aber auch, daß Sir Ben Kingsley ein noch besserer Schauspieler sein kann als Morgan Freeman (der dafür immer gute Arbeit abliefert, während Kingsley nur in Filmen, die ihm wirklich am Herzen liegen, sein Allerbestes gibt - immerhin hat er sogar in "BloodRayne" mitgespielt ...).

Fazit: "Lucky # Slevin" ist kein Meisterwerk und manch einem wird die verschlungene Story sicherlich sogar zu verwirrend sein, dennoch ist es absolut unverständlich, daß der Film hierzulande nicht einmal ins Kino kam! Freunde rasanter Action-Komödien sollten auf jeden Fall mal einen Blick riskieren. Und Anhänger exzellenter Schauspielkunst erst recht. 8,5 Punkte.

Zum Bonusmaterial:
Es gibt ein nur gut 10-minütiges "Making-Of", das eigentlich eher ein "Schauspieler und Regisseur erzählen von den Dreharbeiten" ist. Dafür ist das recht amüsant.
Highlight sind die Deleted Scenes. Zwar nur drei Stück, dafür sind zwei davon sehr lang und sehr gut. Es ist zwar verständlich, daß sie rausgeschnitten wurden, da sie die Story nicht wirklich weiterbringen, sondern "nur" einigen Nebendarstellern mehr Raum zur Entfaltung bieten, aber dafür ist der Unterhaltungswert dieser beiden zusammen gut 10-minütigen Szenen ausgesprochen hoch! Die dritte Szene ist ein kurzes alternatives Ende.
Weiterhin gibt es ein paar kurze Interview-Schnipsel mit einigen Darstellern, wobei die von Willis komplett überflüssig sind, während man von Kingsley und Freeman doch ein paar interessante Dinge erfährt - teilweise überschneiden sich diese Interview-Schnipsel jedoch ärgerlicherweise mit dem "Making-Of" ...
Dazu kommen noch ein paar Text-Infos zu den Darstellern und die üblichen Trailer.
Abschließend bleiben zwei Audiokommentare, beide leider nicht untertitelt, aber recht gut verständlich. Einen bestreiten Josh Hartnett, Lucy Liu und Autor Jason Smilovic, wobei letzterer seinen getrennt aufgenommen hat. Normalerweise mag ich solche zusammengesetzten Audiokommentare nicht, aber hier funktioniert es überraschend gut. Wobei der Informationsgehalt bei Hartnett und Liu sehr gering ist, während Smilovics Kommentare mitunter sehr informativ sind.
Der zweite Audiokommentar stammt von Regisseur Paul McGuigan, da habe ich aber nur kurz hineingehört und kann ihn daher nicht abschließend bewerten.
Insgesamt ein sehr durchschnittliches Bonusmaterial, aus dem die Deleted Scenes positiv hervorstechen. 6 Punkte.

Gekauft für knapp 13 Euro bei Müller (bei amazon.de derzeit fast 18 Euro!).

P.S.: Interessant übrigens: Josh Hartnett hat eine richtig markante Stimme, da versteht man auch, warum er des öfteren in Produktionen mit Film-noir-Anleihen besetzt wird (siehe "Sin City"). Dagegen bin ich der Meinung, daß Bruce Willis´ deutsche Synchronstimme wesentlich beeindruckender ist als seine echte Stimme (fiel mir schon bei "Sin City" auf). Und auch Lucy Liu klingt im Original nicht allzu beeindruckend (leider hat sie hier auch in der deutschen Sprachversion nicht ihre angestammte "Ally McBeal"-Stimme, die ich mit Abstand am besten fand).

Last edited by Ralf; 22/05/07 01:06 PM.