Fußball - Irrtum, falsche Sportart[/b][b]Am Ende der Ära Ballack fehlt dem FC Bayern eine einende, eine
große Idee vom Fußball. Gilt also "Bayern kaputt"?
Von Bernd Hoeltzenbein"... Auch Franz Beckenbauer hat den Trick mit dem Alter einmal genutzt, im
Frühjahr 2001 nach dem 0:3 in Lyon, als er in einer Bankettansprache
den entzauberten Bayern-Profis offenbarte, ihr Tempo habe ihn an das
der Uwe-Seeler-Gedächtniself erinnert.
Kaum weniger demütigend ist es, wenn ein Senior zum Vorbild
ausgerufen wird, der direkt am Wettbewerb beteiligt war. Dies tat in
der Nacht zum Donnerstag in Mailand Karl-Heinz Rummenigge, er hielt
eine Rede von der frühen Rente.
Im Originalton klang das so: „Wenn ich nun überlege, wie ein Jaap
Stam auf der rechten Seite, mit seinen 33 Jahren, am Ende seines
Vertrages – er kehrt am Ende der Saison nach Amsterdam zurück –
hoch und runter marschiert ist, dann war das sicher für uns alle eine
Demonstration von Leidenschaft, von Willen. Und das, muss man ganz
nüchtern betrachten – das hat uns heute gefehlt.“
...
"Bayern kaputt!"Von wem die kommen soll? Jetzt, da die
Gazzetta dello Sport die
martialische Zeile „Bayern kaputt!“ aufs Spielfeld der bitteren
Emotionen wirft?
Dürfte nach Wolfsburg nur mit, wer in Mailand nicht in Ehrfurcht
erstarrte, würde der FC Bayern dort aus Bastian Schweinsteiger
bestehen – und damit der nicht allein ran muss, vielleicht noch aus
Torwart Oliver Kahn, der den von Milans Sturm Inzaghi/Schewtschenko
entfachten Turbulenzen ausgeliefert war.
Rummenigges Bankettrede hat sich Kahn erspart, er blieb ihr fern, was
irgendwie verständlich war. Er musste ja nicht noch einmal erinnert
werden an jene fatale 47. Minute, in der Lizarazu und Ismaël den Ball
eigentlich selbst zum 1:3 ins Netz beförderten.
...
Münchner MängellisteMit der Mängelliste vom Mittwoch werden die Münchner noch im
Sommer beschäftigt sein, die Frage ist nur, wo begonnen werden
muss: Bei Demichelis, der im Mittelfeld in der Spieleröffnung Probleme
hat, bei Ballack, der in der Masse unterging, Deisler, in dessen Rücken
Milan Angriff auf Angriff über die linke Seite inszenieren durfte, oder
doch bei der kompletten Gruppe, der Manager Uli Hoeneß noch in der
Kabine vorwarf, sie hätten sich wohl in der Sportart geirrt: „Das war
Basketball. Ein völlig körperloses Spiel.“
Womöglich aber bewegt sich der FCBayern auch nicht so recht im
Rhythmus der neuen taktischen Zeit. Oft wirkt die Mannschaft so, als
verbinde sie allein der Zweck, was fehlt, ist eine einende, eine große
Idee vom Fußball.
Andere Mannschaften auf dem Niveau, auf das die Münchner wollen,
verschieben ihre Reihen besser, stellen mehr Fallen und schwärmen
entschlossener aus.
...
In der Ära Ballack, die nun zu Ende geht, haben die Bayern diese
Gesetzmäßigkeit nie so recht akzeptiert. Sobald in Kürze ein Strich
unter die gemeinsamen Jahre gezogen wird, wird die Bilanz von vielen
schönen Erlebnissen, nicht aber von den ganz großen Ergebnissen
geprägt sein.
2002 war Michael Ballack aus Leverkusen gekommen. Mit ihm, so der
Plan, sollten Europas Ranglisten gründlich durcheinander gewirbelt
werden, doch das gelang nicht: „Wir haben unsere Lektion erteilt
bekommen“, sagte Rummenigge in seiner Rede über Jaap Stam, die
Rente und den Reiz des Seniorensports: „International ist die Luft dünner.“
Eine Phrase, gewiss, aber die Bayern haben den Klimawechsel zuletzt
nicht mehr bewältigt. Offen bleibt, ob sie ihren Ballack am Ende wirklich
verstanden haben. War Ballack der ersehnte Chef, der
Effenberg-Nachfolger, der nur seinem Auftrag nicht folgte, oder doch
eher ein Harmonist, der besonders auffällt, wenn er plötzlich aus
sicherer Deckung kommen kann?
In Mailand suchte Ballack die Mannschaft. Die Mannschaft suchte ihn.
Man kennt einander schon lange, und hat einander doch nicht
gefunden."
Ragon