Da die Meisterschaft der Bayern wohl abgehakt ist, k�nnen wir uns ja interessanteren Theman zuwenden:

Helmut Digel, Direktor des Instituts f�r Sportwissenschaft an der Uni T�bingen und Vizepr�sident der IAAF, des Weltleichtathletikverbandes, hat einen h�chst bemerkenswerten Artikel f�r die S�ddeutsche Zeitung geschrieben:

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[b]Inszenierter Patriotismus schadet dem Sport[/b]

Hallensprecher bet�tigen sich als Marktschreier, Gegner werden gnadenlos ausgepfiffen, die L�rmkulisse wird zum Markenzeichen: Die Frage sollte erlaubt sein, was dabei mit dem Sport geschieht.

Handball ist ein faszinierendes Spiel. Dieser Satz w�re auch dann richtig, wenn Deutschland in der Vorrunde der Hallenhandball-Weltmeisterschaft ausgeschieden w�re. Mehr als 22 Millionen Zuschauer lie�en sich vom Sieg Deutschlands im Endspiel �ber Polen begeistern. F�r viele von ihnen schien die Faszination allerdings daran gekn�pft gewesen zu sein, dass man Handball mit einem Siegestaumel verbinden konnte: Nicht das Spiel faszinierte, sondern der Sieg. Von Sieg zu Sieg wuchs die Faszination, und am Ende ging das Ganze in eine gro�angelegte Orgie �ber.

Handball ist dabei beliebig ersetzbar. Es k�nnte auch Basketball sein. Auch die Volleyballspielerinnen k�nnten Gleiches hervorrufen. W�rden deutsche Leichtathleten wieder �fter siegen, so k�nnten sie �hnliches bewirken, wie dies ja auch im Wintersport bei den Biathleten der Fall war. Das sogenannte ,,Winterm�rchen��, das auf das ,,Sommerm�rchen�� des Jahres 2006 folgte, war somit kein M�rchen.

Es war vielmehr die konsequente Fortsetzung von dem, was sich aus Anlass der Fu�ball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland bereits ereignet hatte. Nicht der Fu�ball war dabei das Au�ergew�hnliche - sondern die Massen, die ein Objekt ihrer Begierde ben�tigen.

Der Sport bietet dazu den idealen Ort, er offeriert eine Plattform zur Identifikation durch die Massen. Das Identifikationsbed�rfnis scheint dabei ins Unermessliche zu wachsen. Soll dieses Bed�rfnis mittels Sport befriedigt werden, dann ist der Sport jedoch zun�chst in eine Welt des ,,Events�� zu �berf�hren. Er muss zum Spektakel und zur Show, zum Konsumerlebnis, zum ,,adventure�� werden.

Die L�rmkulisse wird dabei zum Markenzeichen, und selbst f�r die Zeit schien es w�hrend der Handball-WM angemessen zu sein, �ber ein Schallmessger�t zu berichten, das einen Spitzenwert von 118 Dezibel ermittelte. Dies sei lauter als ein Presslufthammer. Distanzlos wird diese L�rmqualit�t detailliert beschrieben: ,,W�hrend des Endspiels fegen von den R�ngen Akustiklawinen aufs Spielfeld. Der Schall wird vom Hallendach zur�ckgeworfen und multipliziert. F�llt ein wichtiges Tor, kann man Druckwellen der Erleichterung sp�ren. Sind die Polen im Angriff, klingt das Pfeifen wie eine quietschende Eisenbahnbremse. Die Zuschauer scheinen Gefallen gefunden zu haben an ihrer eigenen Wucht.��

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Alle, die sich in jenen Tagen des Handballs bem�chtigten, waren an der Besonderheit dieses sch�nen Spiels nur ganz gering oder gar nicht interessiert. Dass die deutsche Nationalmannschaft unter der Leitung von Heiner Brand in der Lage war, sich mit mehr als 60 ausget�ftelten Spielz�gen auf jede gegnerische Mannschaft individuell einzustellen, dass der Bundestrainer eine psychologische F�hrungskunst demonstrierte, wie man sie so noch nie antreffen konnte, dass der internationale Handball technisch und taktisch eine enorm dynamische Entwicklung aufweist: All dies hat weder die Massen noch die Massenmedien, die die Weltmeisterschaft begleitet haben, interessiert. Im Zentrum stand vielmehr ein inszenierter Patriotismus, dessen Steigerung durch die Siege der deutschen Mannschaft massenmedial ausgekostet werden konnte.

[...]

Der Sport ist in eine Entwicklung geraten, in der all jene Merkmale, die ihn als besonders bedeutsames Kulturgut gepr�gt haben, gef�hrdet sind. Dies ist ein Prozess der Selbstzerst�rung. Nicht von au�en, von der Politik, wird der Sport bedroht, wie dies manche Funktion�re behaupten. Sie selbst sind es, die ihn bedrohen. Diejenigen, die Verantwortung im Sport �bernommen haben, lassen zu oder f�rdern sogar, dass dem Sport seine ethische Basis entzogen wird. Es ist schwer vorstellbar, dass wirkliche Liebhaber des Sports interessiert sind, dass er zur Show und zum Event absinkt. Vermutlich haben sich die Verantwortlichen von Marketing-Agenturen beraten lassen. Deren Interesse gilt allerdings weniger dem Sport als dem Gesch�ft mit ihm.


Ich stimme dem Artikel in allen Punkten ausnahmslos zu und er�ffne hiermit die Diskussion um diesen inszenierten Patriotismus. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />


Nigel Powers: "There are only two things I can't stand in this world. People who are intolerant of other people's cultures... and the Dutch!"