Meiner Ansicht nach ist dieser "inszenierte Patriotismus" nur ein Aspekt der Problematik der "Unsportlichkeit im Sport", wie ich es einfach mal nennen will.
Mich regt das schon lange auf, aber anscheinend ist es so, daß, je populärer eine Sportart ist, desto unfairer das Publikum wird. Natürlich ideal im Fußball zu sehen, wo schon mal der gegnerische Torwart beim Abschlag mit den freundlichen Worten "Arschloch, Wichser, Hurensohn" begleitet wird ...

Im Grunde genommen ist es wohl nicht anders als in der Politik: Erfolg korrumpiert - nur eben in diesem Fall vor allem die Zuschauer. Ich habe das selbst beim Eishockey beobachten müssen. Als die Nürnberg IceTigers noch in einem baufälligen Uralt-Stadion (das für Olympia 1936 gebaut wurde!) gegen den Abstieg aus der 1. Liga spielten, gab es zwar relativ wenig Zuschauer (vielleicht 3000 im Schnitt), aber die waren echte Sport-Fans, die einfach nur schönes oder wenigstens "ehrliches" (also kampfstarkes) Eishockey sehen wollten. Gut, die Gegner wurden da auch schon ausgepfiffen, aber das war mehr aus Pflichtbewußtsein denn in wirklicher Überzeugung. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />
Dann wurden die IceTigers völlig überraschend Vize-Meister und bekamen kurz darauf eine neue, moderne Arena direkt gegenüber dem Frankenstadion. Seitdem hat sich der Zuschauerschnitt zwar verdoppelt, die Stimmung aber halbiert. Und es waren nachweislich Fußball-Fans (die schon mal im "Club"-Trikot zum Eishockey gingen ...), die teilweise sogar mit rassistischen oder anti-semitischen Gesängen anfingen, auch wenn das glücklicherweise ziemlich schnell von den vernünftigen Fans abgewürgt wurde.
Trotzdem: Es macht heute einfach nicht mehr so viel Spaß wie früher, obwohl die Mannschaft ungleich erfolgreicher und schöner spielt als noch vor zehn Jahren.

Und da mir diese Einstellung "Ich bin lieber GEGEN die andere Mannschaft als FÜR die eigene" so sehr auf die Nerven geht, findet man mich seit Jahren kaum noch im Fußball- oder Eishockey-Stadion.

Stattdessen bevorzuge ich Sportarten ohne so ausgeprägte Fan(un)kultur und auch ohne großen Medienrummel, beispielsweise die Leichtathletik. Als ich 2002 bei der Europameisterschaft in München war (die zwar immer live im Fernsehen übertragen werden, aber trotzdem nur ein begrenztes Publikum ansprechen), da war das wirklich ein tolles Erlebnis! Wirklich ALLE Sportler wurden fair angefeuert, die deutschen natürlich ein bißchen mehr, aber abgesehen von einer überführten russischen Dopingsünderin wurde absolut NIEMAND ausgepfiffen. Es war schlicht und ergreifend die Zelebration tollen Sports, ohne jeden Fanatismus.
Auch in den meisten Wintersportarten ist das ähnlich oder im Tennis.
Interessanterweise scheinen es sowieso vor allem die Mannschafts-Sportarten zu sein, die solche unschönen Zuschauer- und Medien-Auswüchse hervorrufen.

Fazit des Sermons <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />: Ich kann nicht verstehen, warum so viele Menschen den Sport zu "mehr" machen wollen, als er wirklich ist. Sport ist ein Wettkampf zwischen herausragenden Athleten. Und deren herausragende Leistungen sollten auch gewürdigt werden, unabhängig von deren Vereins- oder Nationen-Zugehörigkeit. Natürlich gehört es dazu, die Lieblingsmannschaft oder den Lieblingsathleten besonders anzufeuern - aber das ist für mich noch lange kein Grund, deren Gegner grundsätzlich niederzumachen.
Auch die Tatsache, daß viele sogenannte Fans die eigene Mannschaft oder bestimmte Spieler gnadenlos vom Platz pfeifen, wenn die sich ein paar mal außer Form präsentieren (zuletzt beim Bremer Fußballer Vranjes zu beobachten), kann ich nicht nachvollziehen. Stimmung machen die meisten Fans nur, wenn es bei ihrer Mannschaft sowieso gut läuft. Unterstützung an einem schlechten Tag? Ja, warum das denn???

Das Traurige: Wenn man sich mal mit einigen dieser "Fans" (z.B. im Eishockey) über die Thematik unterhalten will, dann erntet man meist nur ungläubige Blicke, da "das doch dazugehört" (und ähnliches).
Vielleicht ist meine Vorstellung von echtem Sport und von Sportlichkeit ja doch einfach antiquiert ...

Last edited by Ralf; 21/03/07 10:06 AM.