Hallo ollemol!

Die Piranhas haben in einem Interview, erneut auf WoG, weiteren detailierteren Einblick in den Entwicklungsprozess von "Gothic 3" gegeben, woraus sich einige Eigenschaften des Spiels, positive wie negative, erklären lassen können. Diesmal haben so einige Teammitglieder gleichzeitig Stellung bezogen
[Auszug]:

"...
World of Gothic:
Wo seht ihr die Stärken von Gothic 3 gegenüber den Vorgängern, die vielleicht von der
Community noch nicht erkannt wurden?


Mike:
(großes Grinsen bei allen bei dieser Frage)
Das Problem ist ganz klar. Was wir versucht haben, ist natürlich, mit dem Spiel in die Richtung zu
gehen, dass wir es einer größeren Zielgruppe zugänglich machen. Sprich auch Leute, die mit dem
ganzen Gothic-Scheiß nichts zu tun hatten, sollten einfach mal das Spiel starten können, ein paar
Orks verkloppen können und daran Spaß haben. Das hat viel besser geklappt, als die Community
zufriedenzustellen. Wenn man sich mal die Reaktion der Leute anguckt, die Gothic spielen, dann
sind es gerade die neuen Leute, die sagen "Super Spiel, sieht gut aus, ich hab auch einen dicken
Rechner zu Hause stehen, alles ok". Die merken teilweise die Bugs gar nicht. Die empfinden auch
bestimmte Geschichten wie die Charakterpräsentation von beispielsweise Xardas oder Lee oder
irgendwem, mit denen wir bestimmt nicht glücklich sind, als ok. Weil die das gar nicht interessiert.
Also nicht, dass mir das scheißegal ist, es gibt nur Leute, bei denen der Plan aufgegangen ist.
Unser Plan wär natürlich gewesen, beide Spielergruppen happy zu machen und das hat so nicht
ganz funktioniert. Wir werden natürlich, das haben wir ja gerade schon gesagt, wieder ein Stück
zurückgehen, um auch die Leute aus der Community wieder happy zu machen. Auch weil wir das
selber wollen.
Also wir haben die Gothic-Teile ja nicht so gemacht, wie wir sie gemacht haben aus Zufall und
jetzt ist plötzlich alles ganz anders, weil gerade mal anderes in ist. Da steckte schon System
dahinter. Wir haben uns dahingehend mit Gothic übernommen, dass wir es einfach hinterher
nicht mehr auf die Kette gekriegt haben, beide Parteien wirklich happy zu machen. Das wär
schön gewesen, das können wir sicher wieder in Zukunft schaffen, da bin ich mir sicher, aber
bei Gothic 3 hats eben nicht ganz gereicht.
Trotzdem muß ich nochmal sagen, die Stärken von dem Spiel, die meiner meinung nach noch zu
wenig beachtet wurden, liegen darin, dass Leute, die einfach mal so ein bisschen zocken wollen,
einen leichteren Zugang haben. Worauf wir bewußt verzichtet haben, ist der sehr adventuremäßige
Aufbau wie in Gothic 2 beispielsweise. Wo du am Anfang nach Khorinis reinkommst und wenn
du das Spiel nochmal anfängst, bestimmte Punkte in immer wieder der gleichen Reihenfolge
durchlaufen mußt. Du mußt an diesen Torwachen vorbei - irgendwie. Du mußt in die Burg, mußt
Leute bestechen, irgendwie, du mußt zu Lord Hagen, du mußt eine Lehrlingsmission machen, du
mußt dich einer Gilde anschließen. Dieser ganze Aufbau, der ist an manchen Stellen gut gewesen
und davon hat Gothic 3 definitiv zu wenig und davon wollen wir auch gerne wieder mehr
reinnehmen, aber es ist an manchen Stellen auch - so ist zumindest mein Empfinden - an manchen
Stellen zu determiniert, zu wenig frei. Dass wir jetzt genau das Gegenteil gemacht haben, also im
Grunde hätten wir so ein Stück weggehen sollen und wir sind soooo ein Stück weggegangen.
Aber ich denke, wir werden dann wieder in der Mitte landen. Es sollte dann auch schon
Missionen oder Teile von Missionen oder Dialoge gerade in Verbindung mit dem Hauptcharakter
geben, die anders strukturiert sind. Ein linearerer Aufbau der Story insgesamt wäre
wünschenswert. Also totale Freiheit ist glaub ich der falsche Weg gewesen. Aber aus dem
Wunsch heraus, das loszuwerden, sind wir zu weit in diese Richtung marschiert, so würde ich
das betrachten.

Björn:
Um mal eine Hausnummer zu nennen, beim dem etwas linearen Aufbau in Gothic 2 am Anfang in
Khorinis, da hat die Implementation etwa vier bis fünf Monate gedauert. Solange haben wir
daran gefeilt, um den Spielstart so zu machen, dass alles ineinander greift, dass die
Gildenaufnahme funktioniert und so weiter. Natürlich hatten wir damals auch andere Systeme,
aber es hat eben solange gedauert. Bei Gothic 3 hatten wir für eine Stadt maximal 2 Wochen
Zeit. Ausarbeiten der Charaktere, Dialoge schreiben, Quests schreiben und so weiter. Und das
spiegelt sich dann natürlich auch in dem System wieder. Keine großartige Linearität, um dann
noch planen zu können
..."



Wenn Ihr mich fragt, weisen die geäußerten Ansichten und Vorhaben noch einiges an Unschärfe auf, insbesondere auf die Balacne zwischen dem, wie weit man wieder zu einzelnen Konzepten der Vorgängerteile zurückkehren sollte oder die neu beschrittenen Wege doch zielführend sind - und somit dringenden Bedarf an weiterer, intelligenter Analyse der gesamten "Gothic"-Reihe.

Es wäre, finde ich einerseits fatal, wenn man leichtfertig aufgegebene Merkmale der ersten beiden Teile weiterhin als obsolet deklarieren würde, obwohl sich erweist, daß sie eminent zum Erfolg, bzw. Flair der Spielereihe beigetragen haben (komplett generische Befüllung von Truhen vs. wohldosiertem manuelle Zuweisung bestimmter Inhalte - ich wäre zumindest für einen guten Mix).
Gleichsam bedenklich wäre aber auch "mit wehenden Fahnen" eine 180°-Wende zu vollführen würde (z.B. einfach wieder uneingeschränkt zur Kapitel-Gliederung zurückzukehren) und damit gleich komplett Dinge wie die erweiterte Spiel- und Handlungsfreiheit.

Ich bin doch ziemlich fest der Meinung, daß einige Dinge, wie z.B. das Vorkommen von Frauen-Charakteren, die Bezugnahme auf Ereignisse und Fakten aus den Vorgängern - sei es durch Ortschaften, Gegenstände, Personen, Dialoge oder Texte - , das "Freischalten" bestimmter Gegenstände, Areale oder Quests erst durch Erfüllung gewisser Voraussetzungen durch den SC, u.ä. wieder deutlichen Raum bekommen müßten.

Auf der anderen Seite - und das jetzt eher vage, aus Mangel an Spielerfahrung mit G3 - gibt es sicher genug Dinge und Ansätze, die beibehalten werden sollten, zu einem größer oder kleineren Grad, je nachdem.
Ich bin eigentlich schon ein Fan der verschieden gestalteten Territorien und der Größe der Welt. Das ist schon ein wichtiger Reiz, das Festland, welches auch als solches was hermacht.
Die sollte man nicht so einfach über Bord werfen, nur weil´s im ersten Anlauf schiefging.

... und das sind jetzt nur ein paar grobe Stichpunkte!...

Beim nächsten Mal gilt es eben die jetzt immerhin schon zur Verfügung stehende Engine vielleicht noch zu verfeinern, aber ansonsten hat man mehr Zeit für die Kreation der Inhalte.
Dazu sollte der Produktionsprozeß und das Spieldesign besser vorab durchdacht und definiert sein - v.a. mit ausreichenden Reserven für die nie ganz vermeidbaren Situationen, wo was schiefläuft.
So daß man noch rechtzeitig gegensteuern kann, bzw. Änderungen keine "Flaschenhälse" für andere Teile der Entwicklung verursachen.
<img src="/ubbthreads/images/graemlins/think.gif" alt="" /> ...


Gruß,
Ragon