Lu Ser schwirrt vor so vielen Neuigkeiten der Kopf. "Wir gehören alle zusammen", hat Stone gesagt. Ja, genau DAS fühlt er auch. Gleichzeitig ist er jedoch auch nervös und fühlt sich unwohl. Ober er ausdauernd fliegen könne? Seine Klassenkameraden würden sich kringeln vor Lachen, hätten sie diese Frage gehört. Ganz eindeutig wäre ihre Antwort: NEIN. Aber wenn er nun verneinte, würden ihn seine neuen Rudelmitglieder vielleicht gleich wieder verspotten ... oder gar verlassen! Lu nimmt sich vor, sich »ganz schrecklich viel doll« anzustrengen und abends heimlich einige der Übungen zu machen, vor denen er sich im Flugunterricht immer gedrückt hat.
Stone blickt den kleinen Drachen immer noch fragend an. Hin- und hergerissen antwortet Lu schließlich zögerlich: "Ich bin recht klein und unerfahren. Aber ich werde mein Bestes geben, um euch ein guter Kundschafter zu sein." "Wenn es euch recht ist, werde ich ein wenig schlafen und in der frühen Morgendämmerung losfliegen", fügt er hinzu. Schon der Gedanke daran, ganz alleine durch ein ihm vollkommen fremdes Land zu fliegen, verursacht eine gewisse Transparenz bei dem kleinen Drachen.
Lu Ser schläft sehr unruhig und träumt wiederholt von schwarzen Ungeheuern in Blechrüstungen, die sich auf ihn stürzen, von einer unheimlichen Tempelruine in einem grauen Tal und von Kartenteilen, die um ihn herumschwirren, als stände er im Auge eines Wirbelsturmes. Aufgeregt beobachtet er, wie sich das einheitliche Dunkel der Nacht wieder zu Konturen ordnet. Brr, schrecklich kalt ist es in der Welt der Menschen! Aber er will ganz früh losfliegen, um seine Rudelmitglieder schon beim Aufstehen mit den ersten Nachrichten begrüßen zu können. Er füllt seinen hungrigen Magen mit etwas Schweinefleisch (nicht zu viel, da er ja fliegen soll), trinkt gierig den Morgentau.
Dann erklettert Lu ein wenig abseits den Stamm eines umgestürzten Baumes, um von einer leicht erhöhten Position starten zu können. Er will ja nicht gleich beim Start das ganze Lager wecken. Leidlich elegant schraubt sich der kleine Drache in die kühle Morgenluft. Noch zeigt sich nicht das kleinste rosa Leuchten am Himmel. Das Lagerfeuer einer Hütergruppe müsste folglich recht gut zu sehen sein. In einer immer größer werdenden Spirale beginnt Lu den Lagerplatz zu umkreisen. Anfangs wird er aus der Ferne von dem dunklen Schatten der Untoten begleitet, doch beim ersten Lichtstrahl verschwindet das Gefühl ihrer Gegenwart. Hmm, hier riecht es nach Pferden. Vorsichtig nähert sich Lu den Tieren. Mehrere Menschen sitzen dicht beisammen und nehmen ein kaltes, schnelles Mahl zu sich. Wenige Minuten später erhebt sich einer der Ritter, sattelt sein Pferd und reitet mit hohem Tempo aus dem Lager. Die übrigen brechen einige Minuten später etwas langsamer auf. Wohin, ist Lu nicht klar. Aber der Weg führt sie weg von den Gefährten.
Trunken von seinem eigenen Mut beschließt Lu, seine Spirale noch ein wenig zu erweitern. Weitere Personen oder gar Hüter kann er jedoch nicht erspähen. Übermütig macht er sich auf den Rückweg und spielt dabei sein Lieblingsspiel »Baumslalom«, die einzige Disziplin, bei der er auch manchmal gewinnen konnte. Zumindest, wenn die Bäume so eng beieinander standen wie hier. Gerade nicht mehr rechtzeitig besinnt Lu sich, dass es wohl unpassend ist, wie der Wirbelwind ins Lager zu fahren, besonders wegen der Pferde, die unter dem Schutz der Einhorns stehen. Energisch spannt er die Flügel zum ultimativen Bremsmanöver auf, wie er es im Flugunterricht bei den Großen gesehen hat. Kopf stecken, Schwanz zum Ausbalancieren nutzen, ein paar schnelle Schritte, um den restlichen Schwung abzubauen ... wow!
Lu kommt wenige Zentimeter vor der frühstückenden Gruppe zum Stehen. Der Anflug hätte die Anwesenden bestimmt auch sehr beeindruckt, .... hätten sie ihn denn sehen können. Denn vor lauter Angst, mitten ins Lager zu schießen, ist Lu wieder einmal unsichtbar geworden. So sieht der geneigte Beobachter nur einen Drachen aus dem Wald schießen und ein rotleuchtendes Schwanzende landen. Als Lu dies bemerkt, legt sich sein Hochgefühl schlagartig. Scheu erzählt er, was er unterwegs gesehen hat.
Last edited by LuSer; 31/03/04 11:21 AM.