Der kleine Drache hat es sich wieder auf seinem Moospolster gemütlich gemacht und schlummert von den Anstrengungen des Tages ermüdet rasch ein. Das Gemurmel der übrigen im Hintergrund stört ihn nicht.
In seinen Träumen läuft er durch einen finsteren Wald, verfolgt von einer Bedrohung, die so gewaltig ist, dass er sich nicht wagt, sich umzuschauen oder stehen zu bleiben, auch wenn er eigentlich kaum die Kraft hat, noch einen weiteren Schritt voranzugehen. Eine fremde, doch irgendwie vertraute Stimme ruft Lu zu, er solle einhalten und sich der Gefahr stellen.
Aber Lu hastet verzweifelt weiter.
"Du bist ein Drache, ein Erdgeborener! Also benimm dich auch wie einer!", erklingt die Stimmer erneut, diesmal mit einem wütenden Unterton. Vor Lu schließen sich die Bäume und bilden eine undurchdringliche Wand aus Ästen, Blättern und Dornen. Er bremst ab und hämmert gegen die Wand.
Lu sieht wie von außen, dass sich sein Körper aufbläht und die Körpergröße eines wohlgewachsenen Drachens annimmt. Die Stimme ist nun in seinem Kopf.
"Wehr dich!"
Fast ohne sein Zutun wendet sich sein Körper um und jagt dem Angreifer einen riesigen Feuerball entgegen. Die Schritte des Verfolgers im Unterholz verstummen.
Der Drache trommelt sich auf die Brust und brüllt laut: "ICH - BIN - EIN - DRACHE!!!!!!!!!!!"
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Lu erwacht. Er erinnert sich nur noch an wenige Fetzen seines Traumes, seine Angst, sein Triumphgefühl.
Jawohl, er hat heute mitgeholfen, sein Rudel gegen einen Angriff zu verteidigen! Er hat sich zum ersten Mal gegen etwas durchgesetzt, das größer als ein Kaninchen war. Prickelnder Stolz durchzieht ihn.
Kurz bevor der Stolz in Größenwahn umschlagen kann, erinnert sich Lu, dass er sehr viel Glück bei seiner Aktion hatte. Das dämpft seine Gefühle ein wenig. Jedoch hat er zum ersten Mal in seinem Leben das Gefühl, nicht nur der nichtsnutzige, wie sagt seine Mutter: degenerierte, Tolpatsch zu sein. Und sowohl das Einhorn als auch Traveller hatten gesagt, er werde gebraucht ...
Nun erlaubt Lu sich doch ein stolzes Lächeln. Aber wie gerne wäre er so groß und mächtig wie einer der Ungeflügelten ...
Ein schriller Schrei unterbricht seine Gedanken.
"Das war Rashida", ruft er und beginnt wild an den schlafenden Gefährten zu rütteln. "Wir müssen Rashida helfen!".