Nur mühsam kann der Priester den ihm auf der Zunge liegenden Fluch unterdrücken. Seine Ritter sind da weit weniger zimperlich und lassen ihrem Schreck und ihrem Ärger gleichemaßen freien, wenn auch leisen Lauf.
Laute Stimmen waren ihnen aus der Ruine entgegengeschlagen, als sie sich dem Gemäuer vorsichtig genähert hatten. Und dann spürte der Priester eine Dunkelheit, und er wusste augenblicklich, dass es Zeit zum Handeln war, wenn nicht alles verloren sein sollte. Doch gerade, als er losstürmen wollte, um der aufziehenden, bedrohlichen Dunkelheit mit dem reinen, silbernen Licht seines Gottes zu begegnen, war der vor ihnen aufragende Turm der Ruine unter ohrenbetäubendem Getöse in sich zusammengestürzt. Augenblicke später hatte die Erde gebebt, und unmittelbar vor seinen Füßen war ein tiefer Spalt aufgerissen. Zwei seiner Ritter konnten sich nur durch einen beherzten Sprung vor einem Sturz in die bodenlose Tiefe retten.
Von vorne kommt ihnen der Kundschafter der kleinen Schar entgegen.
"Das ganze Gelände ist eine einzige tödliche Falle!" schnaubt er atemlos. "Überall sind Klüfte und Spalten aufgerissen, und überall knirscht und rieselt es! Ich verwette meinen linken Daumen, dass dieser ganze verfluchte Berg unterhöhlt ist - und dass er kurz davor ist, in sich zusammenzustürzen! Wir sollten machen, dass wir hier wegkommen!"
"Konntest Du in der Burg was sehen?" fragt der Priester den atemlosen Späher.
"Praktisch gar nichts!" entgegnet dieser und wischt sich den Schweiß von der Stirn. "Bevor ich was Genaueres ausmachen konnte, stürzte der verdammte Turm einfach in sich zusammen - ohne jede Vorwarnung! Aber eine große Dunkelheit schien aus dem Turm zu kommen, bevor das geschah - die Götter mögen wissen, was das gewesen sein mag, erkennen konnte ich nichts. Die Dunkelheit schien fast... körperlich zu sein."
Ein sanftes Zittern läuft durch den Boden, und von den Rändern der Spalte stürzen Erdschollen in die Tiefe. Stirnrunzelnd bohrt der Priester die Ferse in die trügerische Sicherheit des Bodens. Eine "körperliche Dunkelheit" - er hatte es gespürt. Also waren auch SIE aus den Tiefen der Erde emporgestiegen, wie so viele andere üble Kreaturen auch. Zufall? Oder wurden all die finsteren Wesen der Schatten von einem übermächtigen Ruf hervorgelockt?
"Überlebende?" fragt er knapp.
Der Späher zuckt ratlos mit den Schultern. "Keine Ahnung." entgegnet er, während er ein Schluck Wasser aus seiner Feldflasche zu sich nimmt. "Einige von ihnen waren wohl vor dem Turm, als es geschah. Ich schätze, dass sie den Einsturz selbst überlebt haben, wenn sie schnell laufen konnten. - Was danach geschah, als der Boden bebte und Teile von ihm einstürzten, weiß ich nicht. Es kann gut sein, dass der ganze Innenhof in die Tiefe gestürzt ist - und wenn er's ncoh nicht ist, kann das meiner Meinung nach jeden Moment passieren."
Der Priester blickt angestrengt zu der Bergkuppe empor, wo soeben noch der gut erhaltene Turm der Ruine gestanden hatte, und sich die gewaltige Staubwolke allmählich auflöst.
"Wir müssen Gewissheit haben!" sagt er langsam, als er eine Entscheidung fällt. "Und vielleicht gibt es Verletzte. Vielleicht wird dort oben Hilfe benötigt..."