"Es ist niemand sonst in der Nähe." flüstert der Kundschafter dem Priester zu. "Seid ihr sicher, dass sie noch lebt?"
Der Priester starrt konzentriert zu der dunklen Öffnung, die in dem felsigen Kalksteinboden gähnt. "Sie lebt." erklärt er kurz. "Sichert die Einsturzstelle - und seilt mich ab!"
Schweigend verschwinden zwei der Ritter und der Kundschafter in den Büschen, während die verbliebenen Ritter dem Priester ein daumenstarkes Seil umgürten.
"Nehmt euch in acht!" raunt einer von ihnen dem heiligen Mann zu, als sich dieser anschickt, in den Einsturztrichter hinabzusteigen. "Der Boden ist brüchig! Wenn es erneut zu einem Einsturz kommen sollte, können wir Euch nicht helfen!"
Wie um die Warnung zu bestätigen, lösen sich unter dem Gewicht des Priesters einige Felsbröckchen aus dem Rand des Loches und kullern in die dunkle Tiefe. Der Priester nickt seinen besorgten Männern kurz zu und veschwindet dann am Seil in der Dunkelheit.
Schon nach wenigen Metern hat er den Boden des Loches erreicht. Obwohl hier unten die Dunkelheit bei weitem nicht so vollkommen ist, wie es von über Tage den Anschein hatte, sondern durch das durch die Öffnung einfallende Tageslicht in ein Halbdämmer verwandelt wird, wirkt der Priester mit einer raschen Geste einen schwachen Lichtzauber. In dem silbrigen Licht erkennt er die Streiterin Undars, die ausgestreckt auf dem Felsschutt auf dem Rücken liegt. Ihr rechter Arm ist grotesk verrenkt, das Gesicht ist staubbedeckt, und hier und dort hat sich der Staub mit einigen Tropfen Blut vermischt. Besorgt beugt sich der Priester über die Kämpferin - das schwache Licht und der helle Staub geben der Frau ein beängstigendes Aussehen, der bleichen, fahlen Haut einer Leiche nicht unähnlich.
Erleichtert richtet er sich wieder auf, als er den schwachen, aber regelmäßigen Atemzug wahrnimmt. Die Kriegerin atmet flach, und der ein oder andere Knochen mag gebrochen sein - nichts, wofür die Heilkunst des Priesters nicht ausreichen würde.
Ein leises Geräusch in den Schatten lässt den Priester herumfahren. War es nur ein Stein, der den Halt verloren hatte, oder war es etwas Lebendiges? Im magischen Licht kann der Mann einen dunklen, fast mannsgroßen Felsspalt erkennen, der schräg in die Tiefe des Berges führt und durch den Einsturz freigelegt wurde. Das Licht ist zu schwach, um die Schwärze des Spaltes mehr als Armeslänge zu vertreiben. Das Geräusch wiederholt sich nicht, und es sind keine Anzeichen einer Gefahr auszumachen. Vielleicht war es wirklich nur ein bedeutungsloser Stein...
Der Priester wendet sich wieder der bewusstlosen Frau zu seinen Füßen zu und kniet sich neben sie. Mit geschlossenen Augen und voller Konzentration hebt er die Hände über ihren geschundenen Körper, der in ein blasses Licht getaucht wird. Nach mehreren Augenblicken, in denen der Priester in dieser Pose stumm verharrt, löst er sanft und mit großer Vorsicht den gebrochenen Arm der Kriegerin aus seiner Verrenkung. Die Frau gibt einen leisen Schmerzenslaut von sich, ohne jedoch aus ihrer Bewusstlosigkeit zu erwachen, und dann wird ihr Arm erneut durch die Macht des Priesters in das blasse Licht getaucht. Sekunden später lässt der Priester den gerichteten und vollständig geheilten Arm los. Er lächelt, und führt seine Hand rasch über das noch immer staub- und blutbedeckte Gesicht der Frau. Die zahlreichen kleinen Schürfwunden und Kratzer sind noch immer zu erkennen - der Priester hat sich nicht mit den zwar unangenehmen, jedoch ungefährlichen Kleinigkeiten aufgehalten, sondern ausschließlich die schwereren Verletzungen geheilt.
"Wach auf, Streiterin Undars!" raunt er, und tatsächlich beginnen die Augenlider der Kriegerin zu flattern, ein Zeichen dafür, dass sie allmählich wieder zu sich kommt.