Tief unter dem Turm in den noch erstaunlich intakten Kellergeschossen knirschen und grummeln die losen Trümmerbrocken von Zeit zu Zeit in langen Abständen, wenn der aufgerissene Bauch der Erde wieder ein Stück nachgibt und die Wunden sich mit den zerwühlten Erdschichten füllen. Eine fast endgültige Ruhe nach dem Erdbeben hat alle Bewegung begraben, als lausche die Erde nun ausschließlich ihrer eigenen Heilung. Einzig ein leises und schweres Keuchen wirft hallende akustische Schatten auf die rissigen Wände nahe der Kellertreppe, von der aber nicht mehr viel übrig ist. Hier ist die Decke in vollem Umfang heruntergekommen und hat die Stufen unter sich zermalmt.
So wie auch die humanoide Gestalt, von der lediglich noch der Oberkörper aus der Masse herausragt, der Rest scheint auf den Boden gequetscht wie ein Stück Papier. Wieder entfährt ihr ein leises Stöhnen, als die schweißnassen Hände kraftlos versuchen, einige der größeren Brocken von der Brust weg zu schieben, während der Schutt von den Händen in die große Blutlache unter ihr rieselt.

Neben diesem Bild des Jammers steht der Warlock reglos, in sich versunken und betrachtet die Reste des Treppe. Das Kellergeschoß ist hier nur an dieser Stelle schwer beschädigt, so als wäre der Turm von oben wie ein stumpfwinkliger Keil nach unten auf die Treppe durchgebrochen und dann gewaltsam gestoppt worden. Wenn sich auch überall die sekundären Anzeichen des gewaltigen Erdrutsches zeigen, hier sind sie minimal. Nachdem der Magus seine Betrachtung abgeschlossen hat, wendet er den Blick nach unten zu dem halb ohnmächtigen Häuflein Elend zu seinen Füßen. In diesem Moment tritt Hauptmann Vigor zu ihm und räuspert sich. Sein linker Arm hängt reglos in einer provisorischen Schlinge. Sein Körper ist mit Schnittwunden übersäht. Die schwarze Kapuze des Warlocks dreht sich etwas, aber er sagt nichts.
"Wir haben sieben Mann verloren," presst Vigor erschöpft zwischen den Zähnen hervor und deutet auf den Dunkelelfen vor ihnen, "zusammen mit ihm."
Ein Stöhnen von unten kommt anstelle einer Antwort. Der Warlock geht in die Hocke vor dem halb begrabenen Körper und sagt emotionslos: "Ihr hört es, Alveriel, eure Zeit läuft davon. Niemand kann lange ohne Unterleib überleben, egal wie zäh er ist. Endlich werdet ihr Eurem Hohen Haus in den Tod folgen, wie es längst hätte der Fall sein müssen. Ich habe zu lange daraufhin gearbeitet."

Prinz Alveriel starrt mit glanzlosen Augen hoch, bis sich die Worte in sein Bewußtsein vorarbeiten und er eine wütende Grimasse des Schmerzes hervorbringt. Vigor zieht geräuschvoll die Luft zwischen den Zähnen ein, unfähig etwas zu sagen.
"Ja, Hauptmann.", fährt der Hockende fort, "Ihr seid eine Armee ohne Haus. Das Hohe Haus der Devrièl war bereits in einer blutigen Intrige vernichtet, bevor ich zu euch gestoßen war. Es wäre nie Verstärkung gekommen. Deswegen war der schnelle Erfolg für den Prinzen so notwendig. Bei einer Rückkehr wäre er ein toter Mann gewesen, und er wußte das. Er wußte nur nicht, daß ich es auch wußte. Denn der, für den er mich gehalten hatte, hätte es nicht wissen können, da er sich abseits der Stadt im Verborgenen lebte. Er fiel ebenfalls im selben Handstreich mit seinem Haus. Ich mußte nur seinen Platz einnehmen, denn der Prinz wußte nichts von seinem Ableben, weil er annahm, daß nur ihm der Aufenthaltsort bekannt war. Ein weiterer Irrtum."
Während Alveriel zitternd die Augen schließt, beugt sich Vigor nach vorn:"Dann sind wir jetzt auch Ausgestoßene. Aber warum habt Ihr das getan?"
Der Warlock erhebt sich und zuckt mit den Schultern: "Alte Rechnungen. Viele alte Rechnungen, nicht wahr, mein Prinz? Als einer der eifrigsten Häscher der alten Spinne Lolth auf der Suche nach Abtrünnigen hatte er mich ein paarmal fast aufgespürt. Ich war immer etwas schneller, aber meinen Besitz an Büchern und Artefakten habe ich größtenteils verloren. Da er mich aber nie zu Gesicht bekommen hatte, konnte ich den Spieß endlich herumdrehen."

Vigor schluckt, auf die langsamer werdenden Atemzüge des Prinzen lauschend: "Was macht Euch so sicher, daß wir Euch nicht den Priesterinnen von Arach-Tinilith ausliefern? Und wie bei den Niederhöllen konntet ihr dieses Ende voraussehen?"
Der schwarzberobte Drow dreht sich nun vollständig zu Vigor um, welcher mit Unbehagen das deutliche Amüsement in den Augen des anderen Drow erkennt: "Zuerst einmal bezweifle ich, daß ihr und die fünf verbleibenden Männer in eurem Zustand in der Lage wärt, mich zu überwältigen.
Zweitens würde es keinen Sinn machen, da ich ein Angebot für Eure Männer habe, welches ihr kaum abschlagen könnt.
Und drittens habe ich das überhaupt nicht vorhergesehen, sondern nur reagiert. Der Erdelementar war mächtig, aber ungelenk. Ich habe die Kräfteverteilung etwas umgebogen, wenn ihr so wollt, mehr nicht.
Allerdings hat mir das gezeigt, daß das Ziel unseres Interesses durchaus einer akzeptablen Magie fähig ist. Wisset, daß wir es mit Abenteurern zu tun haben, die eine stattliche Anzahl von wertvollen magischen Artefakten besitzen. Wenn wir ihnen auf den Fersen bleiben, dürfte die eventuelle Beute für alle Beteiligten enorm sein, obwohl ich sie noch etwas beobachten möchte, bevor ich mich weiter entscheide. Aber das dürfte fürs erste Eure Bedenken zerstreuen."

Der Warlock zieht einen kleinen Beutel aus der Robe, den Vigor mit gehörigem Mißtrauen entgegennimmt. Als er vorsichtig hineinblickt, weiten sich seine Augen. Der Beutel ist randvoll mit Edelsteinen, ein kleines Vermögen. Der Drow blickt auf und sein Zweifel ist einem Ausdruck grimmiger Gier gewichen:
"Nun gut, die Entscheidung ist klar. Aber woher wißt ihr, womit wir es bei den Feinden zu tun haben? Wieso wollt Ihr sie verfolgen und Euch die Artefakte nicht gleich holen?"
Der Magus kratzt sich am Kinn und zuckt wieder mit den Schultern: "Ob es Feinde sind, weiß ich noch nicht. Ich bin mehr daran interessiert, wo sie uns hinführen. Ich kann die alten Mächte förmlich spüren, die mit ihnen sind. Und ich habe keine Eile, denn ich habe einen guten Mann oben, der sie im Auge behält. Fähiger, als unser Prinz es je gewesen wäre, wenn auch noch etwas übermütig." Der Warlock lächelt. "Sammelt Eure Leute und kümmert Euch um ihre Wunden. Wir werden diese Höhlen noch heute verlassen. Ich unterrichte Euch später über die Einzelheiten unserer ...sagen wir mal Beute."
Der Hauptmann nickt, aber dann fällt ihm noch etwas ein: "Was ist mit dieser Zwergengruft? Ihr sagtet, ihr wolltet sie später untersuchen..."
Ein breites Grinsen ist die Antwort. "Sagte ich das? Da unten ist nichts von Bedeutung, gar nichts. Ich brauchte nur etwas ...Zeit."

Noch lange, nachdem Vigor in den Nebengängen verschwunden ist, steht der Warlock unbeweglich dort, finster das blasse Gesicht des sterbenden Prinzen betrachtend, bis die letzten Zeichen des Todeskampfes erloschen sind.



Wenn sie so überlegen sind, warum sind sie dann so tot?