Die heilige Kriegerin hört sich die Erzählung des Hüters aufmerksam an.
"Es spricht für Deinen Ziehvater, dass er Dich nie Enttäuschung oder ähnliches hat spüren lassen. Wenn Du ehrlich bist, jeder Mensch erhofft es doch, seine besonderen Fähigkeiten an sein Kind weitergeben zu können. Für mich wird es auch schwer, wenn meine Kinder einmal kein Talent für den Kampf oder den Tempeldienst haben."
Es tritt eine kurze Pause ein, in der nur das leise Knirschen der Lederrüstung der heiligen Kriegerin zu hören ist.
"Ein alter Hohepriester, der kaum noch sehen und gehen konnte, hat viel mit mir geredet. Er sagte eines Tages zu mir: 'Rashida, mein Kind, merke Dir eins für Dein Leben: Vor Undar sind alle Menschen gleich, egal welche Begabungen sie haben. Beurteile niemals einen Menschen nur aufgrund seines Äusseren oder der Meinung Dritter. Bilde Dir selbst ein Urteil! Und dann handle, wie es von Dir verlangt wird.'"

Rashida hält kurz inne, wahre Worte müssen manchmal einfach nur gehört werden.

"Deshalb habe ich auch Bodasen beziehungsweise Dir geholfen. Wenn jemand in Not ist, dann helfe ich, auch wenn ich hinterher erfahre, dass es falsch war. Aber das ist besser, als wenn ich nicht helfe und dadurch jemand zu Schaden kommt."

Sie besinnt sich, dass der Streiter ihr ja mehrere Fragen gestellt hat:
"Unser Dorf ist viel kleiner! Wir haben nur 25 ansässige Familien und das Dienstpersonal. Also ich schätze die Bewohner auf nicht mehr als 200 Leute."

Dann erzählt sie gleich wieder weiter:
"Das kann ich mir gut vorstellen! Gleich Nachtwachen durchstehen müssen..." sie seufzt leise. "Weisst Du, meine erste Nachtwache war auch eine Katastrophe. Nicht, dass etwas schlimmes passiert wäre, aber... ich bin eingeschlafen. Und da ich ein notorischer Langschläfer bin, konnten sich meine gesamten Mitschüler in Ruhe um mich versammeln, bevor mir der Lehrpriester einen Eimer Wasser ins Gesicht geschüttet hat. Das war mir vielleicht peinlich! Deshalb bin ich froh, dass ich einmal um diese unliebsame Schicht herum komme." feixt die Streiterin.

Sie gehen im Gleichschritt weiter, die Kriegerin kommt trotz der hohen Last noch gut voran.


Während sie sich umschaut, fällt ihr eine dunkle Wolkenwand auf, die noch recht weit entfernt ist.

"Sieh mal," macht sie den Hüter aufmerksam, "glaubst Du, dass wir uns wegen den dunklen Wolken Sorgen machen sollen? In den Bergen schlägt das Wetter oftmals binnen Minuten um!"


Quem dei diligunt, adulescens moritur. Titus M. Plautus