Zunächst zögernd, dann neugierig hockt sich der Reisende vor den kleinen Drachen und betrachtet das Amulett, während er es schweigend eine Weile zwischen seinen Fingern herumdreht. Wieder wirkt der Reisende sehr abwesend und sein Blick verliert sich in weiter Ferne. Schliesslich jedoch blickt er Lu Ser forschend in die Augen:
"Ich könnte Dir einiges darüber sagen, doch dazu müsste ich leider ein wenig weiter ausholen...."
Der Reisende denkt kurz nach und beginnt dann zu erzählen:
"Das Verhältnis zwischen Drachen und Elfen war von jeher freundschaftlich, jedoch nicht grade herzlich. Nachdem die Elfen vor so langer Zeit den Krieg gegen die Etheran anzettelten, kühlte sich dieses Verhältnis deutlich ab. Die Drachen und Elfen, welche die Zeit der Asche überstanden, blieben fortan unter sich.
Als die Menschen und Zwerge hergebracht wurden.... nun, weder Elfen noch Drachen konnten im Grunde viel mit ihnen anfangen. Zu primitiv erschienen sie in ihrem Handeln und denken - und zu kurz war ihre Lebensspanne. Dennoch standen ihnen die Elfen näher, schon allein durch ihre ähnliche Erscheinung. Den Drachen hingegen blieben diese neuen Völker gänzlich fremd.
Doch auch die Menschen und Zwerge fanden nie einen rechten Zugang zu den Drachen: Die Zwerge standen ihnen äußerst misstrauisch gegenüber. Wie sollten so fremdartige Wesen weise und vertrauenswürdig sein ? Wesen, deren Reich der weite Himmel war, während sie selbst die enge Dunkelheit unter den Bergen vorzogen ? Und noch dazu fürchteten sie die natürliche Magie der Drachen und Elfen. Die Menschen wiederum fühlten sich von den Drachen gleichermaßen angezogen wie abgestoßen. Sie fürchteten und neideten die Macht der Drachen und gleichsam bewunderten sie diese. Das führte während der Zeit der Asche sogar dazu, das die Menschen die Körper der getöteten Drachen schändeten: Sie nahmen Schuppen, Zähne, Klauen, Blut und Haut um daraus Dinge zu machen, die außergewöhnliche Eigenschaften hatten oder die magische Kraft der Drachen enthielten. Die Schuppen beispielsweise gaben fast undurchdringliche Rüstungen ab. Zähne und Klauen verliehen durch magische Amulette Ausdauer und Stärke. Drachenblut sollte geschmiedete Waffen stählen oder in Form von Tränken Weisheit verleihen. Und Drachenleder war robust und bot Schutz gegen jeglichen Zerfall und die Einwirkung von Feuer.
Aus diesem Grunde wurden vermutlich auch die Karten Deiner Gefährten hier auf Drachenleder geschrieben: Sie haben die Zeitalter mühelos überstanden und man könnte sie sogar ins Feuer werfen, ohne das sie irgendwelchen Schaden nehmen würden."
Lu Ser hatte ihm zwar geduldig und nachdenklich zugehört, doch in seinen Augen steht deutlich immer drängender die Frage, was das alles denn nun mit seinem Amulett zu tun hatte. Der Reisende lächelt:
"Ich weiss, das Amulett....... Wie Du eben erfahren hast, hegten die Drachen keine besondere Sympathie für die übrigen Rassen und umgekehrt. Um so mehr wurden Ausnahmen gewürdigt. Du erinnerst Dich an den Botschafter der Drachen aus meinem Bericht über das Goldene Zeitalter ?"
Der kleine Drache nickt eifrig.
"Gut. Wenn Angehörige der anderen Rassen sich in besonderer Weise für die Drachen verdient gemacht hatten oder ein besonderes und freundschaftliches Verhältnis zu ihnen pflegten, dann erhielten sie als Zeichen der Wertschätzung dieses Amulett. Es stellt den Botschafter der Drachen dar, der am Hof der Etheran in Ethuillinum residierte. Unter den anderen Völkern nannte man ihn 'Himmelszunge' und er verlieh den besonderen Freunden der Drachen dieses seltene Amulett."
Ehrfürchtig nimmt Lu Ser das Amulett wieder zwischen die Pfoten und betrachtet es neugierig von allen Seiten.
"Ob es magisch ist ? Ja, das ist es. Seine Magie ist nicht sonderlich spektakulär, aber sie kann dennoch sehr mächtig sein. Das hängt davon ab, WER dieses Amulett trägt. Seine Eigenschaft besteht schlicht darin, die positiven Wesenszüge seines Trägers hervorzuheben und zu verstärken. Je mehr positive Eigenschaften sein Träger also besitzt, desto stärker werden diese durch das Amulett in Erscheinung treten. Damit einher gehen Ansehen und Respekt."