Milde lächelt der große Drache auf Lu hinab.
"Hab Dank für den freundlichen Gruß, kleiner Bruder!" sagt er, und sein angenehmer Bass erfüllt das Gemüt des jungen Drachens mit Zuversicht.
"Doch ich bin nicht hier, um Höflichkeiten auszutauschen, auch wenn sie mein Herz erfreuen und ich mit Stolz erfüllt bin, dass die alten Gepflogenheiten noch nicht ganz vergessen wurden.
Siehst du die Kraftfäden, Bruder? Natürlich siehst du sie, und du fürchtest dich vor ihnen. Ich kann deine Angst spüren, deine Unsicherheit fühlen - der Grund dafür ehrt dich, doch die Angst ist unbegründet!"
Der alte Silberdrache schweigt kurz und blickt Lu in die Augen. Als er fortfährt, ist seine Stimme streng wie die eines Lehrmeisters, doch noch immer freundlich.
"Du selbst bist ein Teil der Magie, kleiner Bruder! Wir Drachen sind Magie, genauso wie wir Fleisch sind! Begnadete Magier können die Magie benutzen, doch wir - wir lassen sie geschehen! Kontrollierst du jede Muskelfaser, wenn du deinen Schwanz bewegen willst? Befiehlst du deiner Zunge sich zu bewegen, wenn du etwas sagen willst? Gebietest du deinen Lungen zu atmen, wenn du Luft holen willst? Gibst du deinem Magen Anweisungen zu verdauen, wenn du gegessen hast?"
Der große Drache schweigt erneut kurz, um seine Worte wirken zu lassen.
"So wie Magen und Lunge deine Organe sind, die selber am besten wissen, was zu tun ist, so ist auch die Magie ein Organ von dir! Du bist ein Drache, du hast es nicht nötig, die Kraftfäden zu manipulieren! Sie reagieren auf dich, denn sie sind Teil von dir! Werde dir selbst als Drache bewusst! Lass den Drachen in dir groß werden! Er ist in dir, doch du und dein Rudel haben vergessen was es bedeutet, ein Drache zu sein! Vertraue dir selbst, kleiner Bruder - vertraue dir als Drache!"
Mit diesen Worten schwingt sich die gewaltige Kreatur in die Luft und schwebt mit wunderbarer Eleganz mitten auf die Kraftfäden zu.
Mit schreckgeweiteten Augen verfolgt Lu den kurzen Flug. Der Große wird die Fäden zerreißen, und alle seine Feunde werden sterben! Kurz blitzt der Leib des alten Drachens silbern auf, als er die Fäden erreicht, dann ist er schon hindurch als würden sie nicht existieren. Schnell verschwindet er in der Dunkelheit, die sich jenseits der Fäden erstreckt.
Nicht das leiseste Zittern der Kraftfäden verrät, dass ein so mächtiger Leib soeben mitten durch sie hindurchgeflogen ist. Als hätte es den alten Drachen nicht gegeben, umspannen sie weiterhin völlig unbeschädigt und still den kleinen Jungdrachen...