Der untote Hüter blickt auf den vor ihm knienden Stone herab. In seinen leeren Augenhöhlen blitzt es kurz blau auf, dann hebt er das schwere, zweihändige Schwert, holt weit zum Schlag aus – und lässt die rostige Klinge machtvoll auf den jungen Krieger herabsausen.
Stone spürt, wie die Klinge auf ihn herabfährt und ihm in die rechte Schulter dringt. Doch er empfindet keinerlei Schmerz, nicht einmal, als sich die stählerne Schneide durch Fleisch und Knochen frisst, ohne merklich an Schwung zu verlieren. Nur ein leichtes Kribbeln, dass sich angenehm warm anfühlt, und eine merkwürdige Erregung ist zu spüren.
Schließlich verlässt der Stahl den Körper knapp unterhalb der letzten Rippe auf der linken Seite, und Stone weiß, dass dieser Hieb den Torso mitten entzwei gehauen hat. Doch er spürt das Leben in sich pulsieren, vielleicht sogar stärker als zuvor, obwohl ein solcher Schlag die Gewissheit des sofortigen Todes verspricht.
Ein wenig ungläubig hebt der junge Hüter den Kopf – weder seine Rüstung, noch sein Fleisch scheinen durch den gewaltigen Hieb Schaden genommen zu haben. Er blickt zu dem vor ihm stehenden Untoten auf, der das Schwert jetzt wieder locker in den knöchernen Fingern hält. Der Totenschädel grinst ihn noch immer an, doch Stone kann sich des Eindrucks nicht entziehen, dass das Grinsen nun voller Anerkennung ist. Dann kann er wieder die nach trockenem Pergament klingende Stimme des untoten Kriegers vernehmen:
"Willkommen, Stone, Hüter!" sagt der Untote, und das letzte Wort klingt nach >Bruder<. Das Skelett spricht es auf eine Weise aus, die Respekt und Achtung enthalten.
"Dein Weg zum wahren Hüter, zum Wächter ist noch weit, doch es ist der richtige Weg!"
Damit verschwindet das Skelett von einem Augenblick zum anderen, und Stone bleibt allein inmitten der flammenden Runen des Alten Kodex zurück.
Noch bevor er sich rühren kann, beginnen sich die brennenden Zeichen im Kreise zu bewegen, erst langsam, dann immer schneller, bis Stone aus einer rotierenden Kugel von leuchtenden Runen umgeben ist. Dann bewegt sich ein Teil der Runen in das Innere des Kreises auf Stone zu, so dass die Kugel in eine Spirale übergeht, die schnell kreisend schließlich ihren Mittelpunkt in dem jungen Hüter selbst findet. Als die Runen in seinen Körper eindringen, fühlt Stone einen brennenden Schmerz, und zugleich Lust und Ekstase. Er spürt nicht mehr, dass er seine Emotionen hinausbrüllt, mit einer Stimme, die jeden Troll in Furcht und Schrecken versetzen würde, er spürt nicht, das er schon längst nicht mehr kniet, sondern dass alle Muskeln seines Körpers gespannt und gedehnt sind und er die Arme weit von sich streckt. Er spürt nur, dass ihn die Runen durchdringen, dass sie sein Inneres vollkommen ausfüllen und jeden Winkel seines Selbst erleuchten, und eine vage Ahnung steigt in ihm auf, was sein Ziehvater meinte, als er von der "geheimen Macht des Alten Kodex" sprach.
Als die Gefühle zu viel für den Geist des Kriegers werden und er langsam in die Bewusstlosigkeit hinüberdämmert, kann er noch eine Stimme hören:
"Der Weg der Wächter hat seinen Anfang im Schoß der Erde! Nur der Beherzte kann ihn beschreiten!"
Dann wird im schwarz vor den Augen...