Der Priester, der nach den harschen Worten des Fremden entgeistert von Stone abgelassen hatte und neben seinem Toten Ritter niedergesunken war, erhebt sich nun wieder. Sein Haar ist zerzaust, und seine Augen tatsächlich gerötet. Hell glüht das silberne Mal, das er seit der letzten Begegnung mit der heiligen Streiterin Undars auf der Wange trägt. Wie es scheint, hat ihn der Tod seines Mannes schwer getroffen, und er gibt sich selbst die Schuld dafür, obwohl klar war, dass das Schicksal dieser Mannes bereits besiegelt war, als er die Wunde erhielt. Der Priester hatte mit seinen letzten Kräften das Fortschreiten der Vergiftung verzögern können, doch er war zu erschöpft gewesen, die Verletzung völlig zu heilen, ja er bezweifelte sogar, dass er selbst in besserer Verfassung die Macht gehabt hätte, eine solche Wunde zu heilen.
"Hört!" sagt er, und obwohl seine Stimme leise ist, kehrt Ruhe in der Halle ein und der heilige Mann steht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.
"Was geschehen ist, ist geschehen. Doch die Nachrichten, die ich höre, sind beängstigend, und alles andere muss Zeit haben und kann vorerst warten."
Er blickt zu Stone und auf dessen Brustpanzer, dann senkt er schuldbewusst den Blick und starrt auf den Leichnam des Ritters zu seinen Füßen.
"Es ist klar, was ein Dämon ausgerechnet an diesem Ort will. Dieser Tempel war einst ein Platz des Bösen, und das Siegel - ich sehe an euren Gesichtern, dass ihr darüber bereits informiert seid. Gut, das spart Zeit. Wir können davon ausgehen, dass der Dämon das geschwächte Siegel aufzubrechen sucht. Damit würde er die Pforten zur Hölle erneut öffnen - und was das betrifft, stehen wir wohl alle auf der gleichen Seite und sollten vorerst ausstehende Zwistigkeiten zwischen uns beilegen. Ich selbst habe soeben die bittere Erfahrung machen müssen, dass Voreiligkeit und falsche Prioritäten nur Schaden anrichten..."
Der Priester schweigt einen Moment, und Schmerz huscht über sein Gesicht.
"Mit dem Fortgang der Tempelwächter wird das alte Böse, dass noch immer in den steinernen Wänden dieses Tempels lauert, zunehmend stärker." fährt er schliesslich fort. "Besessenheit bei Dämonenbeschwörern ist nichts ungewöhnliches. Dämonen sind machtvolle Wesenheiten, und leider werden sie immer wieder unterschätzt. Sie sind schlau und tückisch, und sie sind Meister in der Verstellung. Eine anscheinend gelungene Beschwörung kann in Wirklichkeit ein Fehlschlag gewesen sein - und der beschworene Dämon versucht, die Macht über den Beschwörer im Laufe vieler Jahre zu erlangen. Wenn Magister Sadrax, den ihr Bodasen nennt, besessen ist, so glaube ich nicht, dass dies erst hier im Tempel geschehen ist. Doch hier wurde der Dämon mächtig genug, um die Kontrolle über den Magier vollends zu übernehmen. Doch der Dämon ist offenbar noch nicht in der Lage, seine volle Macht zu entfalten" er richtet den Blick auf Glance, " - sonst hättet ihr seinen Angriff wohl kaum überlebt. Er benötigt den Körper Bodasens, um agieren zu können - ohne diesen Körper würde er vergehen und zurück in die Tiefen der Abyss hinabfahren. Doch es wird nicht mehr lange dauern, bis er den Körper des Beschwörers nicht mehr benötigt und ihn fortwirft - das wäre der Tod Sadrax', und man erklärte mir, dass dieser Mann offenbar für die Erneuerung des Siegels dringend erforderlich ist."
Diesmal blickt der Priester den Reisenden an und nickt ihm kaum unmerklich zu.
"Ich kenne diese Art Armreifen, die ihr besitzt. Doch sie helfen uns hier nicht wirklich weiter, da sie ihre volle Wirkung nur bei Dämonen selbst entfalten, nicht jedoch bei Besessenen. Aber sie können uns insofern helfen, den Dämon im Körper des Magiers festzuhalten, während wir den Exorzismus durchführen. Das verbessert unsere Chancen, erfolgreich zu sein, denn es wird den Dämon davon abhalten, den Körper des Magiers und dessen gefangenes Selbst kurzerhand zu zerstören.
Der Dämon hat das Selbst des Magiers gefangen gesetzt. Der Geist Sadrax' ist in einem Käfig eingesperrt, eingekerkert, und der Dämon ist der Kerkermeister. Wir können nicht mehr tun, als die Kerkertür aufzustoßen und das Selbst des Magiers zu befreien. Die Auseinandersetzung mit dem Dämon - dass muss Sadrax selbst übernehmen. Die Armreifen werden ihm dabei beistehen, da sie den Dämon ganz sicher schwächen werden, und wir können sein Selbst von außen bis zu einem gewissen Grade schützen und unterstützen. Doch wenn Sadrax zu schwach ist, wird er es nicht schaffen, und dann ist alles verloren..."
Der Priester schweigt und blickt müde zu Boden.
"Ich habe schon zahlreiche erfolgreiche Exorzismen durchgeführt - die Priester aus Rechem sind dafür ausgebildet. Aber ich bin zu schwach, um ihn alleine durchzuführen, ich brauche Hilfe."
Er blickt auf, und sein Blick bleibt auf Rashida hängen.
"Streiterin Undars." sagt er fast flüsternd, "Nun könnt Ihr zeigen, was Ihr wert seid! - Und ihr," er wendet sich Bigclaw zu. "Ihr seid eine Heilerin, nicht wahr? Ich hätte gewollt, dass ihr früher..." Dem Mann versagt die Stimme, als er auf den Leichnam seines Ritters hinabsieht. Dann schüttelt er den Kopf. "Euer Beistand wäre willkommen! Und jede andere Art des Beistandes, wenn er licht und guten Herzens ist!" sagt er, und blickt die anderen auffordend an.
"Wollt Ihr mir vertrauen? Könnt ihr mir vertrauen? Seid ihr bereit, es auf einen Exorzismus ankommen zu lassen?"