Doch der Priester steht ruhig inmitten der Halle, die Arme ein wenig von sich gestreckt. Seine Augen sind glasig, und seine Haut ist fahl. Feine Schweißtropfen perlen auf seiner Stirn.
Er wusste, dass er dem Besessenen nicht mit dem Licht Undars begegnen konnte. Im jetzigen Stadium hätte es Dämon und Magier zugleich geschwächt, und das Risiko, dadurch den Dämon von dem ihn jetzt bindenden Körper zu befreien, war einfach zu groß.
Er sieht, dass der Magier der Gewalt der Auseinandersetzung nicht gewachsen ist und bereits im Sterben liegt. Dies hier erwies sich nicht als gewöhnlicher Exorzismus! Der Dämon nahm die alte, böse Macht, die noch immer in den Mauern das alten Tempels lauerte, in sich auf und verfügte somit über ein gewaltiges Machtpotential. Der Priester ist sich sicher, dass es sich nichtmal um einen allzu mächtigen Dämon handeln konnte - ein Dämon, der in der Hierarchie ganz oben stehen würde, hätte sie alle bereits spielend hinweggefegt. Doch der Dämon stand bereits kurz davor, in diese Welt einzutreten und vom dämonischen Schatten zu einem leibhaftigen Dämon zu werden. In einem solchen Fall war ein Exorzismus mehr als riskant, denn er konnte nicht mehr seine volle Wirksamkeit entfalten. In diesem fortgeschrittenen Stadium überhaupt einen Exorzismus zu versuchen, war tollkühner Wahnsinn!
Noch während die Abenteurer verzweifelt versuchen, den tobenden Körper des Magiers zu bändigen, sondiert der Priester den Schatten, der seinen Urspung irgendwo im Inneren des gepeinigten Körpers hatte. Der Dämon konzentrierte sich darauf, die merkwürdige Hellebarde zu behalten - und das Verlangen nach der Waffe war seine Schwäche! Noch unbemerkt von dem Dämon kann der Geist des Priesters in den Magier eindringen. Er musste das eingekerkerte Selbst des Beschwörers finden und das mentale Gefängnis zerbrechen! Der Besitzer dieses Körpers wäre der einzige, der dem Dämon ernsthaften Widerstand leisten konnte, ohne dass der Körper dabei zerstört werden würde.
Doch der Dämon ist bereits dabei, den Körper zu verlassen. Der Priester findet sich in völliger Dunkelheit wieder - der Magier scheint vollständig ausgefüllt von dem Dämon zu sein, und sein Geist ist bereits dabei, zu verlöschen...
Da durchzuckt plötzlich ein Blitz die Dunkelheit.
Die Armbänder! durchfährt es den Priester, dem es schwerfällt, seine Konzentration über das Aufbäumen des Magiers hinweg aufrechtzuerhalten. Er sieht, wie die Gestalt des Dämons entsetzt schrumpft, als er durch die Magie der Artefakte zurück in den Körper gestoßen wird.
Gepriesen sei Undar! denkt er, und als der Körper auf unerklärliche Weise plötzlich zu Boden gedrückt wird und verhältnismäßig ruhig bleibt, offenbart er sich dem Dämon.
"Gib diesen Leib frei!" fordert er mental. "Gib das Leben frei, auf das du kein Recht hast! In Undars Namen, sein Licht soll deinen Frevel offenbaren! Bei allen Flüchen der Hölle, die auf dir lasten, bei den Gesetzen der Götter, denen auch du unterliegst - gib frei, was nicht dir gehört! Gib frei, was du nicht erringen kannst! Kehre in Frieden zurück in die Welt aus Hass, aus der du kommst! Es ist dir nicht erlaubt, in dieser Welt zu wandeln!"
Mit jedem der heiligen Worte, die der Priester dem Dämon entgegenschleudert, nimmt die Dunkelheit etwas ab, und dann kann der Priester inmitten der Finsternis ein Leuchten erkennen, das schwach pulsiert - das Selbst des Magiers! Triumphierend schickt er einen Lichtstrahl aus, der die Dunkelheit zerteilt und den Kerker das Magiers in helles, reines Licht tauchen soll.
Zu spät erinnert er sich daran, dass der Dämon trotz der Armbänder noch immer kurz davor steht, in diese Welt zu wechseln, und dass die heiligen Worte daher nur von geringer Wirkung sind.
Machtvoll ist der Gegenschlag das Dämons, erstickt das Licht und bringt die Finsternis zurück.
Du kommst zu spät, Priester! grollt die Stimme der dämonischen Präsenz. Es gibt keine Hoffnung mehr für euch!
Abwehrend hüllt sich der Geist des Priesters in helles Licht, und er vermag für Augenblicke dem Ansturm der tobenden Wut des Dämons standzuhalten. Doch schmerzlich wird er sich der Tatsache bewusst, dass die Heilerin zwar seine körperliche Erschöpfung zu heilen vermochte, dass seine heiligen Energien aber noch immer nahezu aufgebraucht sind.
Mit einem letzten gewaltigen Schlag schleudert der Dämon den Geist des Priesters aus dem Körper des Beschwörers hinaus. Die Konzentration des Priesters fällt wie ein Kartenhaus zusammen, und der Nachhall des mentalen Schlages lässt seinen Körper durch die Halle fliegen.
Erschöpft und bereits jetzt aus Nase und Ohren blutend, stemmt sich der heilige Mann taumelnd in die Höhe. Jetzt, wo der Dämon seinen Widersacher zurückgeschlagen hat, beginnt sich der Körper des Beschwörers wieder aufzubäumen und mit übermenschlicher Kraft zu toben, wobei das Streben des Dämons noch immer auf den Besitz der Hellebarde ausgerichtet zu sein scheint. Selbst der kräftige junge Hüter gerät in arge Bedrängnis. Nicht lange mehr, und dann würde sich der Körper durch die wilde Raserei selbst zerstören, und der Dämon wäre befreit - zwar noch immer durch die Armbänder gefesselt und geschwächt, doch der Magier und damit die Chance, das Siegel zu heilen, wäre unwiederbringlich verloren.
"Ihr müsst ihn am Leben halten!" brüllt der Priester überschnappend der Elfin zu. "Egal, was es kostet! Er muss überleben!"
Dann torkelt er auf Rashida zu.
"An meine Seite, Streiterin Undars! Nehmt meine Hand! Lasst das Licht Undars durch meinen Körper fließen!"