Inzwischen in der Einsamkeit des spärlich erleuchteten Gewölbes tief im Inneren des Tempelberges...

Der Priester ist von der harschen Reaktion des hünenhaften Fremden verwundert, doch noch mehr überraschen ihn dessen Worte. Irritiert blickt er auf das Gesicht des ungewöhnlichen Mannes vor ihm, auf dem er für einen kurzen Augenblick Trauer, Schmerz und Niedergeschlagenheit zu erkennen glaubt.

"Meine Männer standen im Dienst der Kirche, und trotzdem sind sie..."
Abrupt verstummt er. Sein Körper versteift sich, als ihm langsam eine ganz bestimmte Erkenntnis dämmert. Scharf zieht er die Luft zwischen geschlossenen Lippen ein.

"Ich... verstehe. Es ist eine Prüfung, eine Prüfung des Glaubens. Eine Prüfung, wofür wir stehen." sagt er schliesslich betont langsam, als würde er jedes Wort genau abwägen. Es ist nicht zu überhören, dass ihm die folgenden Worte eine gewisse Mühsal bereiten.
"Meine Männer standen im Dienste der Kirche! Einer Institution, die sich leider von ihren Göttern fortbewegt und sich stärker auf sich selbst und ihre Dogmen konzentriert. Einer Einrichtung, die den Glauben an die Götter nur als Vorwand benutzt, ihre eigene Macht zu festigen und auszubauen. Die die Priorität des Glaubens verloren hat und vom rechten Wege abgekommen ist. Meine Männer glaubten an die Kirche und hatten darüber den ursprünglichen, reinen Glauben an die Götter vergessen."

Die Stimme des Priesters hat nun eine bitteren Unterton und klingt brüchig und spröde. Sein Atem geht schneller, und sein Gesicht ist gerötet. Der Kampf, der momentan in seinem Inneren tobt, ist fast körperlich spürbar.

"Die Kirche hat Entscheidungen in ihrem Namen getroffen, sie hat verfolgt und gerichtet wen sie als ihren Feind betrachtet hat. Es war nicht unbedingt zum Wohle der Götter, sondern nur zu ihrem eigenen. Sie hat sich angemaßt, sich selbst zu einer göttlichen Instanz zu erheben..."

Wie schon damals im Sturm, in den Schutz eines großen Felsens gekauert, als der Priester jene ungewohnten Worte zu seinem Kundschafter sprach, lauschen seine verbliebenen Gefolgsleute auch nun seinen Worten erstaunt hinterher - die ohne Zweifel von der Kirche als ketzerisch angesehen werden würden, obwohl nicht wenige ihrer Vertreter ganz ähnlich denken mochten.

"Worauf es ankommt ist allein der Glaube!" stellt der Priester schliesslich nüchtern fest. Seine Stimme hat nun wieder an Festigkeit und Sicherheit gewonnen, und sein klarer Blick ist auf seine Männer gerichtet. "Wir müssen unsere Taten nicht vor den Dogmen einer Institution rechtfertigen, sondern allein vor den Göttern! Und wenn der Glaube an die Götter in uns stark und rein ist, sind es die Götter selbst, die in uns sein mögen. Es ist ihre Macht, die unser Blut durchströmt! Und da die Götter nun in uns selbst sind, sind wir vor allem uns gegenüber Rechenschaft schuldig. Egal, was wir auch tun - wir dürfen es nicht im Namen einer Kirche oder einer sonstigen weltlichen Einrichtung tun, sondern allein in unserem Namen! Unsere Taten sind es, die von Bedeutung sind! Wir tragen die Verantwortung für das, was wir tun oder auch nicht tun! Die Taten eines jeden Einzelnen sind es, nach denen uns die Götter richten! Und indem wir an die Götter glauben und ihnen vertrauen, glauben wir auch an uns selbst..."

Mit diesen Worten tritt der sichtlich aufgewühlte heilige Mann an den Altar heran, die wenigen Schritte, die ihn von der tödlichen Falle trennen, ohne Zögern überbrückend.