Lurekar hat die gesamte Erzählung mit gespannter Miene verfolgt. Da er auf Glances Anwendung von Magie nicht überrascht reagiert, scheinen magische Kräfte auch an der Westküste nichts Außergewöhnliches zu sein. Als Lu Ser seine Geschichte beendet, springt der grauhäutige Mann auf und applaudiert mit einem breiten Lächeln: „Wahrlich, das sind fantastische Begebenheiten! Die Zeiten scheinen seltsam zu sein. Mir kommt es schon gar nicht mehr so merkwürdig vor, was mir selbst widerfahren ist. Ihr seid ein begabter Erzähler, Meister Drache. Ich werde mich anstrengen müssen, um diese Geschichte ebenso lebhaft wiedergeben zu können wie Ihr.“. Lurekar macht eine Verbeugung, die sein Gesicht verbirgt, so dass nicht zu erkennen ist, wie ernst er diese Bemerkung meint.
„Ich habe noch keine Pläne.“, antwortet er Bodasen, „Natürlich möchte ich so schnell wie möglich das Mal der Dämonin loswerden und auch irgendwann in meine Heimat zurückkehren. Aber dabei werde ich auf den Rat und das Wohlwollen der Leute von hier angewiesen sein.“
Dann wendet er sich an Glance: „Ich will Eurem Wunsch gern nachkommen, Glance A'Lot, und Euch etwas vorspielen.“, doch wie um zu ergänzen „Falls niemand etwas dagegen hat.“, schielt er hinüber zu Stone. Da dieser schweigt, löst Lurekar nach einer kleinen Pause sein seltsames Instrument vom Gürtel. Die Bända ähnelt einem etwa zwei Schritt langen, daumenbreiten Strick. Ihre schwarze, im Licht schimmernde Oberfläche ist jedoch völlig glatt. Vorsichtig, beinahe liebevoll, streicht Lurekar mit beiden Händen über das eigenartige Seil, das daraufhin leicht hin und her schwankt, fast als würde es zum Leben erwachen. Bevor er das eine Ende an den Mund setzt, flüstert er ihm ein paar unverständliche Worte in beruhigendem Tonfall zu.
Sanft bläst der schwarz gekleidete Musiker in das Instrument. Etwa bis zur Hälfte ihrer Länge wird die Bända daraufhin starr, wie ein Wasserschlauch, den man füllt, während die andere Hälfte sich in kreisenden Bewegungen umherzuwinden beginnt. Der erste Ton, der zu hören ist, klingt wie ein leises Seufzen, das aus einem tiefen Brunnen widerhallt. Ganz allmählich schwillt es zu einem Vielklang an, der einem Chor menschlicher Stimmen ähnelt, sich aber ungewöhnlich rein anhört. Während Lurekar weiter mit beiden Händen über den starren Teil der Bända streicht, ändern sich Tonhöhe und Lautstärke, aber seltsamerweise nicht immer synchron zu seinen Bewegungen.
Die Melodie, die wie von vielen Stimmen gesungen erklingt, hat niemand aus der Gruppe je gehört, und doch kommt sie allen eigenartig vertraut vor. Obwohl Lurekar gar nicht besonders laut spielt, ist sie auch oben auf dem Leuchtturm klar und deutlich zu vernehmen. Beschwingte Tonfolgen vermitteln einen fröhlichen Eindruck, der unwillkürlich Bilder vor den Augen der Zuhörer weckt. Spielende Kinder laufen über eine grüne Wiese, auf die freundlich und hell die Sonne herabstrahlt, während das Lachen und Rufen der Kinder sich in die hohen, schnellen Töne mischt. Gleichzeitig erklingt das Rauschen des Grases in den leiseren Untertönen, und Vögel zwitschern mit der hellen, munteren Melodie um die Wette.
Nach einer Weile weichen die heiteren Klänge einer anderen Stimmung, und die Aufmerksamkeit der Zuhörer wird von der Wiese auf das Gebäude daneben gelenkt. Kräftige, beeindruckende Töne lassen das efeuumrankte Gemäuer einer alten Burg entstehen, die sich majestätisch in den Himmel erhebt. Das Pfeifen des Windes schleicht sich langsam in die Höhen der Melodie, während in den Tiefen das Wasser des Burggrabens gluckst. Jubel und Stolz schwingen mit, als die Töne das Werk des Baumeisters eindrucksvoll in allen Einzelheiten präsentieren, von den donnernden Wällen bis zu den trillernden Zinnen.
Dann wandelt sich die Stimmung erneut, und der Blick schweift hinüber zum äußersten Turm der Burg. Einsam und drohend zeichnet er sich vor dem dunkler werdenden Himmel ab. Klagende Töne umschwirren ihn leise, und nur ein einziges Fenster ist zu erkennen. Traurig führt die Melodie dorthin – es ist vergittert. Immer unruhiger wird die Musik, bis sich ein einzelner, lauter Ton in den Vordergrund drängt, wie ein Schrei, der aus dem Fenster des Turms hallt, ein Schrei voller Verzweiflung. In diesem Turm ... ist jemand gefangen. Abrupt setzt Lurekar die Bända ab, und es wird augenblicklich still.
Auf diese Weise hat die Gruppe noch nie jemanden spielen gehört. Es ist, als habe der dunkel gekleidete Mann eine Geschichte mit seiner Musik erzählt, und das plötzliche Ende klang nicht danach, als sei sie zu Ende erzählt worden. Lurekar fährt sich mit der Hand über die Augen und verbeugt sich dann hastig. „Ich ... ich wollte ...“, beginnt er zu stammeln, um tonlos und leise fortzufahren: „Entschuldigt, das war nicht so geplant.“. Schweigend streicht er noch einmal über die Bända, dann rollt er das seltsame Instrument wieder zusammen und befestigt es an seinem Gürtel.