Stumm gleitet der Blick des heiligen Mannes über das leuchtende Farbenspiel, das die aufgehende Sonne hervorruft. Auch wenn die Pracht nur ein Schatten früherer Tage sein mochte, so war selbst ein solcher Anblick den Auge des Priesters bisher nicht vergönnt gewesen. Der Überwältigung nahe senkt der Mann die Lider. In den letzten Stunden war ihm soviel Schönheit und Erhabenheit begegnet wie in seinem ganzen Leben vorher nicht ein einziges Mal. Staunend und voller Ehrfucht hatte er versucht, sie in sich aufzunehmen - und doch hatte er auch immer die Bedrohung gespürt, die mit dieser Schönheit fest verbunden schien. Die klirrende, lebensfeindliche Kälte auf der Bergspitze, die entfesselte Naturgewalt des Sturmes, das Ausmaß der Zerstörung hier, das selbst der prachtvolle Aufgang des Sonnenballs nicht verharmlosen konnte. Etwas zugleich Atemberaubendes wie auch Bedrohendes ging von dieser Schönheit aus. Waren das Zeichen Undars, der ihm die Einzigartigkeit der Welt und des Lebens konzentriert vor Augen führen und zugleich auf deren Verletzlichkeit hinzeigen wollte? Es mochte nur eines winzigen Fehltrittes brauchen, und das labile Gleichgewicht zwischen Vollendung und Zerstörung würde zum Schatten hin ausschlagen...
Langsam, fast ein wenig widerwillig wendet der Priester den Blick von dem sich ihm bietenden Anblick ab.
"Es geht mir gut." entgegnet er dem hünenhaften Fremden, und als er dessen zweifelnden Blick spürt, fügt er ein "Wirklich!" hinzu. Tatsächlich entsprechen seine Worte der Wahrheit.
"Lasst uns aufbrechen und keine weitere Zeit verschwenden, denn der Weg ist weit, wie Ihr sagt! Und es würde mich nicht wundern, wenn er so manch unliebsame Überraschung für uns bereithält..."