Im ersten Moment will der Priester widersprechen, doch dann besinnt er sich und schweigt. Die letzten Tage hatten wahrhaftig an seinen Kräften gezehrt, und eigentlich hätte er bereits vor Erschöpfung zusammengebrochen sein sollen. Der Tod seiner Männer, die Kämpfe gegen die unheiligen Geschöpfe, der misslungene Heilungsversuch des Fremden - das alles hatte seine Kraft weit über das Maß beansprucht. Dass er noch immer auf den Beinen stand und sich sogar frisch und gestärkt fühlte war daher auch für ihn selbst überraschend. Der heilige Mann vermochte nicht zu sagen, woher er diese Stärke nahm. Ob Undar selbst über ihn wachte und ihn kräftigte?
Nachdenklich lässt sich der Priester zu Boden sinken und horcht in sich hinein. War seine Kraft nur ein letztes Aufbäumen vor dem endgültigen Zusammenbruch? Doch nichts deutet darauf hin, dass sich der erwartete Zustand der Erschöpfung einstellt. Lediglich das hohle Gefühl in der Magengegend ist ein sicheres Anzeichen, dass die letzte ordentliche Mahlzeit schon sehr lange zurückliegt.
"Seht euch nach Brauchbarem um!" hatte ihm der Fremde empfohlen, bevor er verschwunden war. Was konnte es schon Brauchbares an diesem Strand geben? Sand, gesplitterte Baumstümpfe und angeschwemmtes, helles Holz, dazu noch jede Menge ungeniessbaren Wassers, das noch immer durch den Sturm aufgepeitscht wurde. Die Strahlen der aufgehenden Sonne waren zwar noch angenehm wärmend, doch schon bald würde der lebenspendende Feuerball hinter den dunklen Wolkenbänken verschwinden, die nichts Gutes verhießen. Die Schönheit des Sonnenaufganges war bereits vergangen, und die Verwüstungen des Sturmes boten nun einen erschreckend trostlosen Anblick.
Seine Sachen waren noch immmer klamm, an einigen Stellen sogar regelrecht feucht. Für einen Moment denkt der heilige Mann daran, ein wärmendes Feuer zu entfachen. Er hatte durchaus die Macht, selbst das feuchte Holz in Brand zu stecken. Doch war er hier tatsächlich in Sicherheit? Am hellen Tage würden die Flammen zwar kaum zu sehen sein, aber was war mit dem Rauch? Er konnte zwar ein Feuer entfachen, doch die Kunst, ein Feuer vor neugierigen Blicken zu verbergen, war ihm nicht vertraut. Die Hochstimmung, die er beim Anblick der aufgehenden Sonne noch verspürt hatte, schlägt um in Resignation und Trauer, als er unwillkürlich an den in den dunklen Gängen des Berges gefallenen Kundschafter denken muss, der diese Kunst durchaus beherrschte, und trübsinning hockt der heilige Mann im Windschatten eines knorrigen Stammes, den Blick auf das aufgewühlte Wasser gerichtet.
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