Gewandt und leise treten die Gestalten hinter dem Felsen hervor. Die eine ist im Schein der Laterne als der Halbelf zu erkennen, mit dem Emada und Jambond bereits gesprochen haben, die andere hält sich etwas dahinter, ist ganz in Schwarz gekleidet und hat sich die Kapuze ihres Umhangs tief ins Gesicht gezogen. Eine Lichtquelle führen die beiden offenbar nicht mit.
Jambond leuchtet mit der Laterne seinem Meister kurz ins Gesicht, dann hält er sie so, dass auch auf sein Gesicht ein wenig Licht fällt. Tork Emada stellt sich und seinen Begleiter vor, von ihren Gegenübern kommt jedoch erst einmal keine Antwort. Nach einer kurzen Pause meint der Halbelf ruhig: „Ihr wolltet mich sprechen, Tork Emada?“. Der große, dunkel gekleidete Priester hat Mühe, seinen Ärger zu unterdrücken. Glauben die beiden etwa, sie könnten ihre Spielchen mit ihm spielen? „Hättet Ihr wohl die Güte, mir zu sagen, mit wem wir es zu tun haben?“, knurrt er ungehalten. Die schwarz gekleidete, hagere Gestalt tritt einen Schritt vor, ohne den Kopf zu heben. „Mein Name ist Mandeni.“, antwortet sie mit rauer Stimme und einem seltsamen Akzent, der den Priestern nicht bekannt vorkommt, um dann hinzuzufügen: „Ich gehöre zu den Schattenwebern von Wogendnir.“
Misstrauisch mustert Emada den Fremden. Von einem Land oder einer Stadt namens Wogendnir hat er noch nie gehört, und selbst der sonst so bewanderte Jambond schweigt dazu. Aber über die Gegenden weit im Norden und Westen ist nicht viel bekannt. Schon möglich, dass jemand von dort die weite Reise auf sich nimmt, wenn es zu Ereignissen von großer Tragweite kommt. Der Akzent klingt nicht, als würde der Mann sich bloß verstellen. Um sicher zu sein, beschließt Emada, einen Zauber einzusetzen. Vielleicht gibt der Geist des Fremden ja etwas mehr von ihm preis? Rasch murmelt er ein paar Silben, bewegt die Hände kaum merklich in den weiten Ärmeln seiner Robe und schließt kurz die Augen. Aber da, wo er den Geist des Fremden spüren sollte, stößt er nur auf Leere. Was hat das zu bedeuten? Verwirrt und argwöhnisch starrt er die merkwürdige Gestalt an. Ist sie etwa nur ein Trugbild, eine geschickt aufgebaute Illusion des Halbelfen? Er beschließt, doppelt vorsichtig zu sein.
„Mir ist nicht entgangen, dass Ihr dem Hohepriester einige Dinge verheimlicht habt.“, beginnt der erfahrene Hüter des Tempels langsam, ohne sich etwas anmerken zu lassen, „In letzter Zeit geht manch Merkwürdiges vor. Dämonen ziehen durch die Lande, Reisende werden vermisst. Solche Neuigkeiten beunruhigen uns in Rechem natürlich. Zum Wohle der Stadt muss die Priesterschaft derartigen Vorfällen nachgehen und die ganze Wahrheit darüber erfahren. Nur, wenn Ihr uns alles erzählt, können wir eine mögliche Bedrohung abwenden.“. Auffordernd sieht Emada den Halbelfen an. Bevor dieser antworten kann, schaltet sich jedoch Jambond ein: „Wartet, Meister. Mand-e-ni von Wo-gend-nir? Lasst uns das Ganze umdrehen, dann ergibt es Ni-e-mand von Nir-gend-wo!“
„Sehr interessant.“, meint Emada mit süffisantem Grinsen, „Gut aufgepasst, Jambond. Ihr habt sicher eine gute Erklärung dafür, werter Niemand von Nirgendwo?“. Jambond hebt seine Laterne und leuchtet den Fremden an. Dieser macht eine rasche Handbewegung, woraufhin funkelnde, bunte Lichtsterne von seinen Fingern zu stieben beginnen. Er streckt seinen Arm und richtet ihn auf Jambond, der durch den Sternschauer wie in Laternenschein getaucht wird. „Weg mit der Laterne!“, fordert der Schwarzgekleidete in ruhigem, aber bestimmendem Tonfall. Jambond sieht seinen Vorgesetzten an, der bedächtig nickt, und lässt die Laterne sinken. Auch der Fremde senkt seinen Arm, dann ballt er die Hand zur Faust, und die funkelnden Sterne verlöschen.
„Vielleicht habe ich Euch unterschätzt.“, räumt der seltsame Mann ein, „Ihr habt einen wacheren Geist, als ich es von Priestern gewohnt bin. Dennoch habe ich gute Gründe, Euch meinen Namen nicht zu nennen, und er tut auch nichts zur Sache. Ich schlage vor, wir konzentrieren uns auf das, was wir wirklich herausfinden wollen. Und Ihr unterlasst jeden weiteren Versuch, mit Euren priesterlichen Mitteln dem nachzuspüren, was Euch nichts angeht.“
Etwas überrascht denkt Emada kurz daran, den Unschuldigen zu spielen, aber dann verwirft er den Gedanken wieder und nickt lapidar. Anscheinend hat der Fremde vorhin bemerkt, was geschehen ist – es abzustreiten, wäre daher zwecklos. Er muss sich wohl etwas besser in Acht nehmen. Vielleicht steckt doch eher Selbstbewusstsein als Leichtsinn hinter dem Vorschlag der Gruppe, sich hier mit ihm zu treffen.