„Das wird nicht ungesühnt bleiben.“, stößt der junge Mann zwischen zusammengepressten Zähnen hervor, nachdem er die Tür hinter Feldwebel Dranner geschlossen hat. Tränen des Zorns mischen sich in seinen Augen mit Tränen der Trauer und des Schmerzes. Seine Mutter schluchzt und blickt auf. Die aufbrausende Art ihres Sohnes kennt sie nur zu gut. „Du wirst doch keine Dummheiten machen?“, schnieft sie besorgt, „Versprich mir, dass du keine Dummheiten anstellst!“
„Dummheiten? Pah!“, entgegnet ihr Sohn mit entschlossener Miene, und seine Stimme wird immer lauter: „Vater ist ermordet worden! Das werden sie büßen! Jeder hier weiß, dass sie hinter allem möglichen Unheil stecken, diese intriganten Bastarde, aber an Vater und Rosenkranz hätten sie sich nicht vergreifen dürfen. Kopf für Kopf, Blut für Blut. Das Maß ist voll! Wir werden ihnen zeigen, dass Rechem sich zu wehren weiß!“
„Allein kannst du gar nichts ausrichten.“, versucht die Frau den jungen Mann zu beruhigen, „Überlass das Feldwebel Dranner und den Wachen. Sie werden die Schuldigen finden und bestrafen. Vertrau auf Dranner, er ist ein guter Mann, das weißt du doch auch.“
„Hast du nicht gehört, was Dranner gesagt hat? Vater ist für Rechem gestorben. Er hat sich im Dienst für uns alle aufgeopfert! Sein Opfer soll nicht vergebens sein! Ich sage, er ist den Heldentod gestorben, und ich weiß, dass es noch viele Helden in Rechem gibt, die uns von diesem Pack befreien wollen. Ich spreche mit Dakin vom Tempel, der sieht die Sache genauso, und sicher kommen auch Yaka und Sewrus mit. Wir sind nicht allein. Frag die Leute auf der Straße – wir haben es alle satt. Jetzt ist die Zeit zum Zurückschlagen gekommen. Die werden sich noch wundern! Wir nehmen Rache. Rache für Vaters Tod!“
Mit diesen Worten reißt der junge Mann die Tür auf und stürmt nach draußen. Das Herz der alten Frau beginnt zu rasen. Tränen vernebeln ihren Blick. Ihr ist, als würde sich vor ihren Füßen ein gewaltiger Abgrund auftun, der alles zu verschlingen droht, was ihr lieb und teuer ist.
Vielleicht hätte sie sagen sollen, dass ihr Mann Geld und Geschenke annahm? Dass sie ihn immer wieder gemahnt hatte, damit Schluss zu machen? Und dass die Eltern das Ganze stets vor den Kindern verheimlicht hatten? Nein ... die Dinge haben ihren Lauf genommen. Sie kann nicht hinter ihrem Sohn herlaufen und gerade jetzt alles eingestehen. Langsam senkt die alte Frau den Kopf und schickt in ihrer Verzweiflung ein stilles Gebet zu Undar und Sulele. Ihre Kraft reicht nicht aus – jetzt müssen die Götter helfen.