Der Kopf des Elfenhäuptlings ... der würde sich an seiner Wand gut machen ...
Sewrus bemerkt in seiner Aufregung nicht, wie sich der aufgebrachten Menge hinten am Zug weitere Menschen anschließen ... nur Menschen, keine Zwerge, Elfen oder anderen Völker ...
Weiter hinten wandert ein schäbig aussehender Mann mit, der merkwürdig riecht. Er wandert mit, um die Leute anzustacheln. Denn nur so, denkt er, kann er von seinen Schmuggeleien ablenken ... "Die Leute brauchen ein Ziel," hatte er sich gedacht, "und das Ziel wird sie von anderen Dingen ablenken. Dieser wütende Mob kommt uns gerade zupass!"
Auch Alrik und Chumana reihen sich problemlos aus einer Seitenstraße in die Menschenmenge ein. Geschickt suchen sie sich einen Platz weit vorn und am Rande des Mobs. Und obwohl beide sich in Gedanken immer wieder fragen, wie sie Alrik zurück aufs Schiff bringen können, macht ihnen diese Maskerade irgendwie auch riesigen Spaß. Aber viel Zeit, um sich was einfallen zu lassen oder noch einige Informationen aus dem Mob rauszukitzeln, bleibt ihnen leider nicht mehr. Vielleicht noch ein Viertel eines Sonnensteins, schätzt Chumana.
Mehrmals kann Chumana sehen, wie Alrik kurz davor ist, einen der aufgebrachten Männer und Frauen anzusprechen. Aber jedes Mal lässt er es dann doch sein. Er hat Angst, dass ihn sein Akzent wieder verrät, schießt es Chumana durch den Kopf.
Wie unbeabsichtigt rempelt sie eine ältere Frau neben sich an, höchstwahrscheinlich ein Fischweib vom Markt, die sich mit einem großen Korb vergammeltem Fisch dem Zug angeschlossen hat. Der Modergeruch aus dem Korb ist ekelerregend und hat bisher dazu geführt, das es kaum jemand lange in der Nähe des Weibes ausgehalten hat.
„Entschuldige Mütterchen, die Aufregung. War ja wirklich überfällig, dass mal jemand was gegen dieses Gesindel unternimmt. Auch wenn ich nicht weiß, was die Spitzohren jetzt schon wieder ausgefressen haben. Aber was immer es ist, wir werden erst wieder ruhig schlafen können, wenn sie verschwunden sind. Man traut sich ja gar nicht mehr auf die Straße.“
Die Alte scheint froh zu sein, mit jemandem über das Thema reden zu können, und antwortet in verschwörerischem Ton: „Haben die Kleine von Stoerrebrands auf dem Gewissen, hat mir Ilona erzählt. Und die hat es von ihrem Peter und der hat es von Hans in der Kneipe erfahren. Der wiederum hat es direkt von Kalle, der arbeitet als Pferdeknecht bei den Stoerrebrands. Sollen sie regelrecht zerstückelt haben und sogar einen Teil ihrer Innereien gegessen haben, diese Tiere. Aber vorher haben sie das arme Ding stundenlang gefoltert und missbraucht. Und weil sie einen Zauber über das Haus gelegt haben, hat es keiner mitbekommen. Die Familie ist außer sich und von Schuldgefühlen zerfressen, dass keiner der Kleinen zu Hilfe kam. Das ganze Zimmer soll voller Blut und Fäkalien gewesen sein. Kalle und einige andere Diener haben sie noch durchs Fenster flüchten gesehen. Sie haben versucht, die Bande aufzuhalten, aber leider waren sie zu schwach und wurden zusammengeschlagen.
Und jetzt hat sich der junge Schnapper zum Magistrat aufgemacht. Will denen mal die Meinung sagen, damit sie endlich was gegen diese Baumknutscher unternehmen. Aber wenn du mich fragst, sollte man die lieber alle aufknüpfen. Die machen doch mit dieser Bagage gemeinsame Sache. Alles korruptes Pack da. Das sagt sogar Tork Emada. Hat mir Ewald erzählt. Der hat es wiederum von Sina, die arbeitet als Hausmagd im Tempel. Alle korrupt. Und der Herzog selber ist der Schlimmste. Annie hat mir erzählt, dass sogar Elfenblut in seinen Adern fließen soll. Hat sie von Janine erfahren. Die wiederum hat es direkt von ihrer Cousine, die ist Küchenhilfe im Hause des Herzogs. Schlimme Zeiten sind das, fürwahr. Niemandem kann man trauen. Sogar die Wachen lassen sich von dieser Brut bestechen. Aber was man davon hat, das sieht man ja an Gyldenstern und Rosenkranz. War ja ein offenes Geheimnis, dass die beiden korrupt waren. Wie hätten sie sich sonst bei dem geringen Lohn so einen Lebensstil leisten können. Aber wer sich mit so welchen einlässt, der muss sich nicht wundern, wenn er eines Tages tot in der Gosse liegt. Hab schon immer gesagt, mit denen wird es mal ein schlimmes Ende nehmen. Aber deswegen muss man sich ja noch lange nicht alles gefallen lassen. Ist nur richtig, dass sich der junge Gyldenstern nicht alles bieten lässt. Juri hat auch immer gesagt...“
Chumana hat Mühe, sich ein Grinsen zu verkneifen. Willst du den Tratsch einer ganzen Stadt hören, gehe zu einem Marktweib, denkt sie. Und wenn die einmal reden, hören die nicht mehr auf, bis du dich davonmachst. Mit einem Seitenblick auf Alrik, der der Alten gebannt, wenn auch mit gerümpfter Nase wegen des Fischgeruchs, lauscht, schaltet sie ab und überlegt, wie sie Alrik aufs Schiff helfen kann. Mit ein paar vorgegaukelten Schlangen wird sie hier wenig ausrichten können. Da muss sie sich schon was Spektakuläreres einfallen lassen. Und wenn ihr nichts einfällt, auch gut. Dann muss der Kerl eben selber sehen, wie er aus seinem Schlamassel wieder rauskommt.