Die Soldaten am Pier starren angestrengt auf die Ecke der Hafenstraße, an der gerade die ersten aufgebrachten Menschen erscheinen. Sie schwingen Fackeln und schreien immer wieder Parolen wie 'Elfen raus aus Rechem!', 'Weg mit den Ratten!' oder 'Jetzt geht's lo-hos!'. Offenbar haben sich Menschen aus allen Schichten und Berufen dem Zug angeschlossen – ganz vorne marschiert sogar ein junger Mann in weißer Robe, der dem Tempel anzugehören scheint.

Während die Menge sich nähert, stellt der Korporal sich vor seine Männer und ermahnt sie noch einmal: „Niemand schießt oder schlägt zu, bevor ich es ausdrücklich befehle. Wir wollen die Leute vom Elfenschiff fern halten, aber niemanden verletzen. Angesichts der aufgeheizten Stimmung müssen wir kühlen Kopf bewahren, damit die Lage nicht eskaliert. Vertraut auf die Götter, bleibt besonnen und ruhig! Lasst euch nicht in nutzlose Diskussionen verwickeln, sondern habt ein wachsames Auge nach allen Seiten, so wie ihr es gelernt habt!“

Plötzlich wird einer der Armbrustschützen bleich und lässt die Waffe sinken. „Was soll das? Waffe hoch!“, fährt der Korporal ihn an. „Mei... meine Tochter ...“, stammelt der Mann mit Tränen in den Augen und hebt die Armbrust nur sehr zögernd, „sie ... sie hat sich der Menge angeschlossen.“

Verdammt! Auch das noch!, denkt der Korporal, macht ein paar Schritte zur Seite und erklärt mit entschlossener Stimme: „Wir werden alles tun, was nötig ist, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Aber wir werden Gewalt vermeiden, sofern sie nicht unbedingt nötig wird. Das gilt für alle, verstanden?“

Die Soldaten antworten mit „Jawohl, Herr!“, und der Korporal dreht sich zur Menschenmenge um, die mittlerweile auf fünfzig Schritt herangekommen ist. Bei den Göttern!, schießt es dem erfahrenen Wachmann durch den Kopf, Das sind ja mindestens vier- bis fünfmal so viele wie wir. Und es strömen immer noch welche aus der Straße nach. Wenn wir heil aus dieser Sache rauskommen, will ich ein großzügiges Opfer darbringen, das gelobe ich!

Den Blick fest auf die vorderste Reihe des Zuges gerichtet, wartet der Korporal, bis diese fünfzehn Schritt von ihm entfernt ist, dann hebt er die Hand und ruft im Befehlston: „Halt!“. Tatsächlich bleiben die Menschen stehen. Etwas ruhiger fährt der Korporal fort: „Kehrt um und geht nach Hause, Leute! Hier gibt es nichts für euch zu tun! Die Stadtwache hat alles im Griff.“

„Die Stadtwache wird von den Elfen umgebracht!“, schreit zornig ein junger Bursche in der vordersten Reihe, „Mein Vater musste den Heldentod sterben! Wie viele sollen noch folgen? Macht Platz, damit wir das Pack bestrafen können!“

„Ein weiteres Mädchen ist tot.“, ergänzt schnell ein Gleichaltriger mit kurzem, rotblondem Bart neben ihm, „Jetzt muss Schluss sein! Wir dürfen nicht länger zusehen, wie diese Bestien über uns herfallen. Tretet zur Seite, ehrenhafte Wächter, wenn Ihr Rechem so liebt wie wir!“

„Immer mit der Ruhe!“, entgegnet der Korporal, „Die Stadtwache arbeitet mit Hochdruck an der Aufklärung aller ... Vorfälle. Erleichtert uns die Arbeit Leute, indem ihr nach Hause geht. Je friedlicher ihr seid, desto schneller können die Verantwortlichen bestraft werden.“

„Die Verantwortlichen können jetzt sofort bestraft werden!“, kreischt eine Frau von weiter hinten, und zustimmendes Gemurmel ertönt.

Leicht verunsichert bemüht sich der Korporal, die Menge zu beschwichtigen: „Es gibt keine Beweise, dass die Elfen mit dieser Sache zu tun haben.“

„Das ist doch offensichtlich!“, ruft jemand dazwischen, und ein anderer schreit: „Tod den Mördern!“, woraufhin die Menschen unruhiger werden. Hinten gibt es Gedränge, so dass die vorderen Reihen langsam näher zum Pier geschoben werden.

„Halt!“, brüllt der Korporal erneut, „Bewahrt Ruhe, Leute! Lasst euch nicht zu unüberlegtem Handeln hinreißen, für das man euch später zur Verantwortung ziehen würde! Kehrt um, dann kümmern sich die um alles, die dafür ausgebildet sind. Vertraut auf die Götter und geht nach Hause!“

„Die Götter“, antwortet der junge Mann in der weißen Robe mit kräftiger, aber ruhiger Stimme und hebt seinen schwarzen Stab, auf dessen Spitze eine klare Glaskugel zu leuchten beginnt, „stehen auf unserer Seite!“. Ein lautes Raunen geht durch die Menge. „Sehr gut, Dakin!“, flüstert ihm der Rotbärtige zu.

Der Korporal spürt, wie ihm langsam die Kontrolle über die Situation entgleitet. Jetzt ist der Mob nur noch sieben Schritt von ihm und seinen Soldaten entfernt, und er rückt weiter vor. Fieberhaft überlegt er, was er tun kann, um die Lage zu entschärfen. Wäre es klug, einige der Aufrührer festzunehmen? Oder wird das heftige Reaktionen bei den übrigen Menschen auslösen? Soll er gar Warnschüsse in die Luft abfeuern lassen? Oder würde das alles nur verschlimmern?

„Die Götter wachen über uns alle.“, sagt er, nur um überhaupt etwas zu sagen, „Sie werden uns dem Verbrechen auf die Spur führen, wenn sie die Zeit für gekommen halten. Und ihr könnt euch gewiss sein: Falls die Elfen wirklich etwas damit zu tun haben, werden sie ihrer gerechten Strafe nicht entgehen.“

„Ja, straft die Elfen!“, schreit jemand aus der Menge hasserfüllt. Der Rotbärtige und seine beiden Nachbarn sehen sich an, dann rufen sie im Chor: „Tod dem Elfenpack! Tod dem Elfenpack“. Weitere Stimmen greifen die Parole auf, und bald skandiert die ganze Menge: „Tod dem El-fen-pack! Tod dem El-fen-pack!“