Die Stille im Hafen, die auf den Ausruf des Korporals folgt, währt nur wenige Augenblicke lang, dann bricht die Menge wieder in Schreien und Pfeifen aus und brüllt ihre Parolen. Mehrere Leute in der vordersten Reihe scheinen sich zwar zu bemühen, Abstand zu den Stadtwachen zu halten, aber dem Druck, der von weiter hinten ausgeht, haben sie wenig entgegenzusetzen.

Noch immer versucht der Korporal einen Ausweg zu finden. Seine Wachen und er können nicht weiter zurückweichen, eine Entscheidung muss jetzt getroffen werden. Aber wenn er den Schießbefehl gibt, können Unschuldige verletzt werden. Eine Massenpanik kann aufkommen, weil Stadtwachen mit gezogenem Schwert auf Bürger Rechems losgehen – auf seine Anordnung hin. Was, wenn Hildebrands Tochter, diesem fehlgeleiteten Mädchen in der Menge, etwas zustößt? Wie soll er Hildebrand dann je wieder in die Augen sehen können?

Zweifel reifen in dem erfahrenen Mann. Selbst ein Priester, ein Vertreter der Götter, steht auf der anderen Seite. Ist das nicht ein göttliches Zeichen? Wollen die Götter vielleicht andeuten, dass die Menge im Recht ist? Doch selbst wenn, Dranners Anweisungen sind eindeutig und müssen befolgt werden. Es darf kein Blutvergießen geben, Übergriffe auf die Elfen müssen verhindert werden. „Halt!“, ruft er erneut, aber seine Stimme klingt längst nicht so energisch wie noch zu Beginn, „Seid doch endlich vernünftig, Leute!“

„Das einzig Vernünftige ist jetzt, den verdammten Elfen den Garaus zu machen!“, knurrt der Rotbärtige, „Also helft uns endlich!“. Der Korporal schüttelt den Kopf, ihm fällt allerdings nichts Kluges ein, was er entgegnen könnte. Er darf das nicht zulassen, aber er darf auch nicht befehlen, auf die Menge zu schießen. Es muss noch einen anderen Weg geben. Können die Leute nicht mal eben innehalten, damit er in Ruhe überlegen kann? Dann fiele ihm dieser andere Weg vielleicht ein ...

Wieder drängen aufgebrachte Leute von hinten aus der Menge nach vorne. Wegen des allgemeinen Lärms ist bei ihnen kaum noch zu verstehen, was der Korporal ruft. Wieso geht es nicht endlich los? Die Fackeln, die schon auf das Elfenschiff geschleudert werden könnten, brennen langsam nieder, die Steine in der Hand werden schwer. Es ist doch nicht mehr weit bis zu dem Kahn, sollen sich die Kerle da vorne gefälligst ein bisschen ranhalten.

Für den Ruck, der jetzt durch die Menge geht, reicht der Platz am Pier nicht mehr aus. Schreiend stürzen drei Stadtwachen und fünf Personen aus der Menge ins Hafenbecken, zwei weitere rudern noch verzweifelt mit den Armen, um irgendwo Halt zu finden, fallen dann jedoch hinterher. Angst und Wut vermischen sich in den Stimmen der Menschen zu einem ohrenbetäubenden Geheul.

Die Stadtwachen blicken zu ihrem Befehlshaber, durch dessen Körper ein Zittern läuft. Nein, es gibt keinen anderen Weg. Er muss jetzt den Schießbefehl geben, koste es, was es wolle. Dranner wird einsehen müssen, dass dies die einzige Möglichkeit war. Entschlossen fasst der Korporal das Heft seines Schwertes.