Das kalte Wasser umspült seine Gliedmaßen und macht sie fast taub. Alrik versucht, sich mit kräftigen Schwimmbewegungen wieder an die Wasseroberfläche zu bringen. Wieso musste dieser angetrunkene Kerl ihm auch dann einen erneuten Stoß verpassen, als er gerade sein Gleichgewicht wieder gefunden hatte. Und dann hatte er auch noch Chumana mitgerissen. Plötzlich verhakt sich sein Fuß in irgendetwas Schwerem, das ihn nach unten zu ziehen droht. Vorsichtig tastet er mit der Hand nach dem Hindernis. Sein Stiefel hat sich in einem großen Stück Stoff verwickelt. Schnell zieht Alrik sein Messer, um das Hindernis loszuschneiden, als er erschrocken feststellt, dass ein Mensch an diesem Stück Stoff hängt. Sein Fuß hat sich im Umhang einer Wache verfangen. Schnell schneidet er die Stoffbahn durch und greift nach dem leblosen Körper. Seine Lungen lechzen nach Luft, er kann schon das Blut in seinen Ohren rauschen hören. Mit letzter Kraft schafft er sich und den leblosen Körper an die Wasseroberfläche. Mit einem tiefen Atemzug füllt er seine Lungen. Verzweifelt versucht er den Kopf der Wache über Wasser zu ziehen. Dann sieht er sich um und ruft den anderen Leuten im Wasser zu: „Hilfe, ich brauche Hilfe. Ich kann ihn nicht mehr lange über Wasser halten.“
Der Schock des kalten Wassers würde ihr den Atem rauben, hätte sie davon noch genug gehabt. Panisch beginnt Chumana mit Armen und Beinen wild um sich zu schlagen. Längst hat sie die Orientierung verloren, wo oben und unten ist. Der Drang, Luft zu holen, wird übermächtig. Dann wird sie auf einmal ruhig. Die Zeit scheint still zu stehen. Von Ferne meint sie noch den Klang einer seltsamen Musik wahrzunehmen, bevor ihr die Sinne schwinden. Erinnerungen stürzen auf sie ein. Chuma, die sich um sie schlingt, wenn sie abends einschläft. Ihre Mutter, die ihr die Pflanzen und Pilze ihrer Heimat zeigt und ihr immer wieder zärtlich übers Haar streicht. Una mit dem blutigen Ritualdolch in der Hand, während ihre Mutter röchelnd am Boden verblutet und sie selbst atemlos und wie gelähmt in ihrem Versteck hockt. Tuwa, wie sie ihr heimlich das Wissen der tödlichen Säfte beibringt. Chuma, die sie zum heimlichen Tanz der Schlangen mitnimmt. Wie sie sich heimlich aus dem Dorf wegschleicht, um Yamka der Botschafterin zu folgen, die Spuren von Una’s Züchtigungen noch auf dem Rücken. Der Kampf mit den Wachen. Alrik, der auf einmal vor ihr steht und auf sie herunterblickt. Dann verblassen die Bilder. Eine tiefe Ruhe erfüllt sie. Sie befindet sich an einem hellen, ruhigen Ort. Zärtlich streicht ihr jemand über das Haar. Als sie sich umdreht, sieht sie in das freundliche Gesicht ihrer Mutter.