Ein Becher heißen Wassers, um sich einen Kräutertee aufzubrauen, damit ihre lästigen Kopfschmerzen besser werden und diese verflixte Übelkeit vergeht, das ist alles, was Chumana jetzt will. Dieses ganze Durcheinander macht sie langsam konfus. Und was erzählt die Prinzessin da von Schicksal? An solch einen Unsinn glaubt sie schon lange nicht mehr. Eigentlich glaubt sie nur an eine einzige Sache. Daran, dass man besser und stärker sein muss als die anderen, damit man überlebt.

Sie hat gehofft, dass Stones Neuigkeiten, von deren Wichtigkeit sie noch lange nicht überzeugt ist, ihr eine Atempause verschaffen würden. Stattdessen bringen sie seine Erzählungen noch mehr durcheinander. Selbst die kleine Stichelei von seiner Seite aus ist auf einmal völlig unwichtig. Erst die Bemerkung der Elfe an Deck und jetzt die Geschichte von Stone. Es würde sie nicht im geringsten überraschen, wenn jetzt auch noch die alte Legende von der alten Herscherrasse erzählt wird. Und die Sache mit dem Dämon, das ist interessant. Von dieser Statue ganz zu schweigen.

Während Glance das Wort an sie richtet, hat sie Mühe, seinen Worten zu folgen. Und als er seine elfischen Titel aufzählt, versäumt sie fast, die Hand um ihren magischen Anhänger zu legen.

Als sie den Anhänger wieder loslassen will, nachdem Glance geendet hat, wird ihr auf ein Mal klar, wie unsinnig die Worte sich ohne diesen Talisman anhören würden. Und zum ersten Mal macht sie sich darüber Gedanken, wie verständnislos andere auf ihre eigenen Titel reagieren müssen.

„Ich danke Euch nochmals für Eure Freundlichkeit, Fürst der Elfen auf Lodoss. Aber Ihr irrt Euch, wenn Ihr annehmt, das der ganze Name verwendet wird. Je nach Situation wird nur ein Titel, das Heimatland oder der Name der Mutter verwendet. Lediglich bei der Vorstellung wird alles aufgezählt, um den andern zu informieren. Und wenn es bei Euch üblich ist, ganz auf Titel und Abstammung zu verzichten, würde ich mich gerne anschließen, wenn es allen Recht ist.“

Dann schließt sie die Hand wieder um ihren Anhänger. Man kann ihr ansehen, dass Trotz und Einsicht in ihr ringen, bevor sie die nächsten Worte fehlerfrei in der Sprache der Edlen spricht.

„Und ich danke Euch auch, für Eure nachsichtige Art, mir meine Fehler vor Augen zu führen. Ich würde es gerne später korrigieren, wenn mehr Zeit ist, denn einige Titel meines Volkes dürften längere Erklärungen benötigen. Doch jetzt würde ich gerne erst mal Stone etwas fragen und ich glaube, ich besitze auch etwas, das Euch interessieren könnte.“

Sie lächelt Glance noch einmal zerknirscht zu, bevor sie sich Stone zuwendet.

„Ihr verschweigt weit mehr, als Ihr erzählt, aber ich denke, wäre ich an Eurer Stelle, würde ich noch weniger preisgeben. Ihr sagt also, dieser Dämon wird gestärkt von Gewalt. Und wenn ich das richtig interpretiere, soll die Schlacht damals auch einen Dämon gestärkt haben? Was ist mit ihm geschehen? War er auch in der Schlacht dabei?
Nein, schon gut, das sind Fragen die jetzt nicht von Bedeutung sind.

Aber wenn es tatsächlich einen Dämon gibt, der sich durch vergossenes Blut kräftigt, könnte die Zeit tatsächlich knapp sein. In der Stadt ist nämlich eine zweite Menschenmasse unterwegs, die zum Magistrat zieht. Anscheinend hat es einen Mord in einem der Adelshäuser gegeben und das Volk hält den Magistrat und den Herzog für die Schuldigen an den Todesfällen der letzten Zeit.“

Mit einem mulmigen Gefühl denkt sie daran, dass auch sie, ohne sich groß Gedanken darüber zu machen, Blut vergossen hat.

„Und wo wollt Ihr eigentlich anfangen mit der Suche nach diesem Wesen? Habt Ihr irgendwelche Hinweise auf seinen Aufenthalt? Es nützt ja nichts, einfach blindlings in die Stadt zu stürmen.“

Einen Moment schweigt Chumana, dann zieht sie zögernd ihr Buch aus der Gürteltasche und wickelt es aus. Unsicher schaut sie auf das alte, in Leder eingeschlagene Buch. Dann gibt sie sich einen Ruck und legt es auf den Tisch.

„Auch wenn jetzt eigentlich nicht genug Zeit ist, das könnte Euch interessieren. Ihr habt von einer alten Schlacht erzählt und von einem Buch, in dem darüber berichtet wird. Mein Volk liebt Geschichten und hat viele über Jahrhunderte hinweg erhalten. Und auch von dieser Schlacht wird manchmal abends an den Feuern berichtet. Dies hier“, Chumana schlägt die ersten Seiten des Buches auf, „soll sogar die Zeichnung einer Augenzeugin sein.“

Ein bedrückendes Szenario ist mit schwarzer Kohle auf das vergilbte Pergament gebannt worden. Eine Landschaft, bedeckt von Leichen und Verwundeten, so weit man sieht. Zwerge, Elfen, Menschen und dazwischen Wesen, die aus einem Albtraum entsprungen zu sein scheinen. Tiere tun sich gütlich an den Toten. Nur vereinzelt sieht man eine Gestalt, die noch auf den Beinen steht, verloren zwischen den Gefallenen.

„Und auch dieser Text“, Chumana deutet auf die Seite neben der Zeichnung, die mit seltsamen Zeichen bedeckt ist, „soll damit zu tun haben. Nur leider ist er in einer Schrift verfasst, die schon lange vergessen ist.“