Alrik spürt, wie müde er ist. Er läßt den Blick über das Schiff hinaus hinüber zum Hafen, dem brackigen Wasser, in dem sich der Himmel spiegelt, dem Pier, auf dem sich Hafenarbeiter bewegen, und von dort aus zur Stadt wandern. Das Gekreisch von Seemöven erfüllt die Luft. Unablässig Futter suchend schweben sie umher und inspizieren ihre Umgebung. Die Dächer unter dem blauen Himmel, auf dem nur ein paar Schäfchenwolken umher wandern, sind in den verschiedensten Farben gedeckt, aber hauptsächlich in Ziegelrot. Die Basen der Häuser sind aus festem grauen Stein gemauert, oder ziegelrot von einer eigentümlichen Ziegelarchitektur, während die Stockwerke darüber hauptsächlich aus Holzbauten bestehen, manche wieder verziegelt, aber auch mit Lehmverputz und mit Fachwerkbauten versehen. Einige Anstriche sind farbenfroh, grün, gelb, orange, andere wiederum eintönig erdfarben, weiß, oder ockergelb. Selten sieht er einige Wasserspeier und Abwehrfratzen an den Firsten der Gebäude hängen. Ein Gebäude scheint sogar einen Regenwasserauffangmechanismus zu haben : Das Regenwasser des Daches wird effektiv ein paar Röhren heruntergeleitet ...
Die Häuser bilden dunkle Gassen und Schluchten, und hier am Hafen sehen sie nicht besonders fein aus. Es sind ganz normale Bürgerhäuser von ganz normalen Bürgern dieser Stadt, Menschen, wohl auch Zwergen, vielleicht auch Elfen und anderen Völkern, die hier leben und arbeiten, aber das kann man von hier aus schlecht sehen. Die Häuser geben keine Anzeichen darauf, wer oder was hier wohnt. Lediglich einige tiefergelegte Hauseingänge dort drüben könnten auf Zwerge hindeuten. Er erinnert sich, zuvor in den Fenstern einige wenige Angehörige von nichtmenschlichen Völkern gesehen zu haben, aber wer weiß, wieviele es hier wirklich sind.
Seine Sinne suchen nach Anzeichen der Gewalt, die wohl gerade jetzt in der Stadt wüten mag - oder auch nicht. Er ist froh, daß die Sache mit dem Mob so gut ausgegangen ist. Es behagt ihm überhaupt nicht, sich in solch einer elfenfeindlichen Stadt zu befinden. Ob sie hier generell gegen andere Völker sind ? fragt er sich. Falls ja, dann entgeht ihnen eine große Bereicherung, sinniert er.
Während er auf Big Claw und Stone wartet, die er nicht sehen kann, weil sein Blick selbstversunken über der Stadt streift, fragt er sich, was wohl aus ihm und aus seiner Mission werden wird. Wohin wird der Weg führen ? Der Tempel war nun schon seit einigen Tagen gesichert, aber das Böse als Solches noch nicht besiegt. Welchen Weg, welche Strapazen und welche Opfer würden sie zurücklegen müssen, bis dieses Abenteuer beendet waren ? Würden sie SarSareth überhaupt gewachsen sein ? Wo befindet er sich überhaupt ?
Dumpfe Gedanke und Zweifel schwirren durch seinen Kopf.
Sie sind jetzt auf diesem Elfenschiff, soviel ist sicher, und sie sind vorerst noch in Sicherheit. Aber dies ist - angesichts des elfenfeindlichen Mobs - eine trügerische Sicherheit. Und die nächste Aufgabe steht bereits bevor : Sich ausfragen zu lassen.
Er wünscht sich in diesem Moment, er hätte die Entschlußkraft von Rashida. Sie wußte ihren Weg recht genau, und ging ihn infach. Zweifel hatte er an ihr nie großartig bemerkt, bis auf jenen Sturm.
Sie war nun fort, ging ihrer Bestimmung nach, die sie zum Undar-Tempel geführt hatte, und er fragt sich, ob er sie je wiedersehen würde. Ob sie alle das ganze Abenteuer überhaupt zu einem guten Ende führen konnten.
Wärme breitet sich nahe seinem Herzen aus. Sein Amulett pulsiert immernoch in jenem leuchtenden Grün, das nun seine Lieblingsfarbe zu werden scheint. Er greift kurz nach dem Amulett, genießt die Wärme, die es ausstrahlt, läßt es aber wieder los, in der Furcht, jemand könnte ihn in seinem Moment der Schwäche und Haltsuche bemerkt haben. Hier geht es um ein großes Abenteuer, das Helden erforderte, und keine Schwächlinge. Er hofft nur, solange durchhalten zu können, bis alles vorüber ist. Was auch immer das sein mag, denkt er. Er fühlt sich auf ein Mal sehr einsam.
Mit einem Seufzen wendet er seinen Kopf, und sucht nach Stone und Big Claw. Es stehen Dinge von einiger Bedeutung an, und diese erfordern einen klaren Kopf. Schwäche kann er sich hinterher immernoch eingestehen, findet er.
Er dreht sich herum, und geht auf dem Deck hin und her, bis er sie findet, scheinbar in ein Gespräch vertieft.
Last edited by AlrikFassbauer; 12/06/06 09:25 PM.