Blaugrün funkelt das Juwel von Isgatan auf dem Samtkissen. Im Schein der magischen Lichtkugeln wirkt es fast, als lodere ein inneres Feuer durch seine Facetten. Die vertrottelte Magierin hat es nicht einmal mit einer Kuppel aus Harnischglas geschützt. Man braucht nur zuzugreifen, um hunderttausend Goldlöwen reicher zu sein. Es ist so einfach – viel zu einfach. Ein ungutes Gefühl meldet sich in Lurekars Magengegend. „Finger weg!“, zischt er der grau gekleideten Gestalt neben ihm zu, „Lass mich erst genauer hinsehen.“

Unwillig brummend lässt sein Partner die bereits ausgestreckte Hand wieder sinken. Der Musiker nähert seinen Kopf vorsichtig dem Kissen und sucht nach Auffälligkeiten. Es sind keine ungewöhnlichen Beulen oder Nähte zu sehen, die auf verborgene Stacheln oder Nadeln hindeuten würden. Weder flimmert die Luft an einer Stelle mehr als an einer anderen noch tanzen kleine Lichtreflexe über einem Punkt, an dem eigentlich keine sein sollten.

„Und?“, fragt der Mann neben ihm ungeduldig. „Noch habe ich nichts entdeckt.“, antwortet Lurekar, „Aber ich brauche mehr Zeit. Irgendwas dürfte da sein.“

„Ach was!“, knurrt der Graugekleidete, „Die blöde, alte Schachtel vertraut auf ihren schlechten Ruf. Die denkt, sie braucht hier drin gar keine Schutzmaßnahmen mehr. Wir holen uns das Ding jetzt und verschwinden. Sie muss nicht noch persönlich aufkreuzen, während wir hier sind.“

„Halt!“, mahnt Lurekar, während sein Partner den Arm hebt, „Keine voreiligen Schlüsse! Dazu steht zu viel auf dem Spiel!“

„Wisst Ihr, was er damit gemeint haben könnte?“, tönt es aus dem Maul des amüsiert dreinblickenden kleinen Drachen. „Frag nicht so dumm, du dämliches Biest!“, will Lurekar ihn schon anherrschen, da fällt ihm auf, dass Lu Ser unmöglich mit ihm im Turm der Kalifin sein kann. Er ist an Bord des Elfenschiffes, und es geht um die nächtliche Unternehmung mit Glance, um die Worte des Bibliothekars.

Konsterniert reibt der Musiker sich die Augen. Schon wieder eine so intensive Erinnerung? Was hat das zu bedeuten? Ein Zeichen von zu wenig Schlaf? Eine Reaktion auf Glances freche Kritik?

Vielleicht hat der Halbelf ja doch Recht? Aber übermäßig guter Mensch – pah! Anscheinend glaubt auch Glance an diesen Schwachsinn über Gut und Böse. Als wären Menschen ständig die Liebenswürdigkeit in Person oder immer nur feindselig. Eine typische Denkweise junger Leute, die solche Kategorien offenbar als hilfreich empfinden. Bestimmt sind selbst Dämonen nicht so einfach als immer böse einzuordnen.

„Ja, wir wissen sehr wohl, was er damit gemeint haben könnte – mich!“, entgegnet der Schwarzgekleidete dem Drachen nach einer kurzen Pause in sehr beherrschtem Ton, „Sicher kann man sich bei so rätselhaften Worten indessen nie sein, aber ich bin offen für konstruktive Gegenvorschläge. Vielleicht fällt dir ja was Besseres ein, schließlich kennst du dich mit dem ganzen Kraftfäden-Brimborium aus, wie es scheint. Was sonst könnte die Verbindung der schwarzen und der weißen Seite sein, so harmonisch miteinander ins Gleichgewicht gebracht wie eben durch einen Kuss? Eine Vereinigung des Unversöhnlichen? Was, wenn nicht ich?“

Da Lu Ser nicht sofort antwortet, lässt Lurekar den Kopf sinken. „Ich bin keineswegs begeistert davon.“, fügt er leise hinzu, „Und ich habe mich auch nicht darum gerissen, das durchzumachen, was ich erlebt habe. Aber ich bin ein Mensch, war im Vergleich zu einer Dämonin also weiß, ganz gleich, was ich alles getan oder gelassen haben mag in meinem Leben. Menschen weiß, Dämonen schwarz. So einfach ist das bei manchen dieser alten Sprüche.“

Zumindest, wenn selbst Leute wie Stone kapieren sollen, worum es geht., ergänzt er hämisch in Gedanken.