„Es gibt eine alte Legende,“ antwortet Chumana, „wonach die Kreaturen der Finsternis sich zusammenrotteten und die freien Völker angriffen. Was die Gründe dafür betrifft, so gibt es verschiedene Versionen der Geschichte. Manche reden von dem Zorn eines Mächtigen der alten Herrscherrasse. Ich glaube, er hieß SarSarotti, oder so ähnlich. Ich habe mir die Namen dieser legendären Gottgleichen nie merken können.
Andere erzählen vom Wirken eines bösartigen Zauberers, der die Weltherrschaft anstrebte. Noch andere glauben, dass es sich um eine Prüfung der Völker handelte die darüber entscheiden sollte, ob einige der Alten zurück zu den Völkern gehen. Es heißt, die meisten Götter sollen auf Wesen dieser alten Herrscherrasse zurückzuführen sein und sie halten sich noch irgendwo auf dieser Welt auf und beobachten aus dem Verborgenen.
Wie das halt so ist mit alten Überlieferungen. Diese Schlacht hat es gegeben und sicher auch dieses merkwürdige, ausgestorbene Volk, aber so genau weiß keiner mehr davon zu berichten. Bei meinem Volk gibt es zumindest Unmengen von Geschichten über diese alte Rasse. Angeblich soll sogar eine von denen unser Volk erst hierher gebracht haben.
Die Dämonen müssen jedenfalls fürchterlich gewütet haben und konnten erst durch einen Zusammenschluss der Völker zurückgedrängt werden. Dass diese Schlacht an einem Ort mit Namen Goblinsquell stattgefunden hat, das habe ich erst durch Stone erfahren. Anscheinend stimmt es, denn die Übersetzung weist zumindest auf einen sehr ähnlichen Namen hin. Diese unbekannte Schreiberin des Briefes,“ Chumana legt ihre Hand auf das Buch, „war die Einzige meines Volkes, die an dieser Schlacht teilnahm. Genauer gesagt, unwissend hineingestolpert ist. Darum wird ihre Geschichte bis heute bei meinem Volk erzählt, auch wenn sich niemand mehr genau erinnert, wie sie hieß oder aus welcher Familie sie stammte.
Ich vermute, dass niemand mehr von ihrer Familie existiert, denn das Buch ist in den letzten Jahrhunderten durch verschiedenen Familien gewandert, das zumindest kann ich aus den lesbaren, neueren Einträgen entnehmen. Ich selbst habe es von einer alten Frau geschenkt bekommen, die unser Volk verlassen hat und selber keine Nachkommen hatte.“
Die geheimnisvolle, alte Onide. Bissig, bösartig und beleidigend und dann im nächsten Moment freundlich und liebevoll, konnte man diese Frau nie richtig einschätzen. Sie blieb sowieso lieber für sich und letztendlich hatte sie ihrem Volk für immer den Rücken gekehrt. Und durch eine kleine Lüge Chumanas war es ihr sogar möglich, der Rache von Una zu entkommen und irgendwo ein neues Leben zu beginnen. Dafür hatte sie ihr das Buch gegeben. Und wie es Onides Art war, natürlich noch mit einer bissigen Bemerkung dazu. „Du verdienst es zwar nicht, aber du bist so gut wie jede andere, um es weiterzuführen. Wenn du dir Mühe gibst, wirst du dir diesen Schatz des Wissens vielleicht doch noch verdienen. Und wenn du mal deine Augen aufmachst, Kindchen, wirst du diese mächtige Waffe vielleicht sogar zu nutzen wissen. Allerdings fürchte ich, dass jeder Narr mehr mit diesem Schatz anfangen kann als du, Schätzchen.“ Dabei hatte sie, wie so oft, gackernd vor sich hin gelacht und Chumana merkwürdig angeschaut, so als ob sie etwas sähe, was anderen verborgen blieb. Ja, Onide wusste, wie man andere dazu brachte, sich unbehaglich zu fühlen. Selbst Una war diese alte Frau unheimlich gewesen. Aber irgendwie hatte Onide es immer wieder geschafft, den Intrigen Unas zu entgehen. Was wohl aus ihr geworden war?