Als der große Hüter die Elfin vorstellt, kann Dranner nur mühsam ein Aufstöhnen unterdrücken. Eine elfische Prinzessin! Er hat schon viele Male das Pech gehabt, die aufgeblasenen, hochnäsigen Schnösel kennenzulernen, die sich auf ihre Herkunft und auf ihr angeblich reineres Blut etwas einbilden. Je höher sie gestellt sind, um so unerträglicher und arroganter werden sie - und jetzt hat Dranner sogar jemanden königlichen Blutes hier zu Gast. Dabei gilt doch gerade er als jemand, der nicht viel vom Adel hält. Es hatte sogar einige kleine Skandale gegeben, als der Feldwebel mehrere hochgestellte und reinblütige Herren verhaftet hatte, die der Meinung waren, das Gesetz sei nur für den Pöbel da.
Nein, wenn die Elfin jemanden mit ihrer Herkunft beeindrucken will, dann ist sie bei ihm an der falschen Adresse. Eher würde sie es aufgrund ihrer Herkunft sogar schwerer haben, ihn zu überzeugen oder zu etwas zu bewegen. Die Priester würden selbstverständlich ihr gegenüber die Form waren, aber bei allen Fehlern, die die Männer des Glaubens sonst auch haben mögen, dem Adel fühlen sie sich weder verpflichtet noch sind sie ihm in irgendeiner Weise hörig. Dazu ist die Kirche einfach zu mächtig. Und die Magier? Die Magier empfinden sich selbst als elitäre Gruppierung, und Adel war in ihren Augen nur ein Zufall und kein persönliches Verdienst. Soweit Dranner weiß, haben Frauen in der Akademie ohnehin einen schweren Stand und werden mehr geduldet als akzeptiert - ein Überbleibsel aus einer Zeit, als Frauen jedwede Anwendung von magischer Energie strikt untersagt war. Da viele Zauberer jene alten Zeiten wieder herbeisehnen, bezweifelt Dranner, dass die Magier den Worten der Abenteurer mehr Aufmerksamkeit schenken werden, nur weil sie die Unterstützung einer Prinzessin haben.

Fast ist der Feldwebel ein wenig enttäuscht von dem jungen Hüter. Glaubt er wirklich, ihm würde mit einer Elfenprinzessin eher Gehör geschenkt, oder seine Behauptungen würden schwerer wiegen? Ist der Krieger so wenig von sich überzeugt, dass er auf solch zweifelhafte Mittel zurückgreift? Oder ist sein Vertrauen in die Priester und die Magier nach seiner, Dranners, Warnung so gering? Dann kann er es dem Hüter nicht einmal verübeln, dass er sich durch die Prinzessin eine gewisse Rückendeckung sichert. Und womöglich vermag ihn die Prinzessin tatsächlich vor einer rücksichtslosen Befragung durch die Inquisition bewahren, die nach Dranners Ansicht durchaus im Bereich des Möglichen liegt. An offenen diplomatischen Verwicklungen mit den Elfen dürfte selbst der Kirche nicht gelegen sein, selbst wenn sie dem grazilen und unnahbar erscheinenden Volk eher ablehnend gegenübersteht.

Immerhin hat der Hüter einige interessante Dinge mitgeteilt, die Dranner tatsächlich die Mittel in die Hand geben mochten, gegen die Fäulnis in Rechem vorzugehen. Schon lange hegt er den Verdacht, dass in Rechem kriminelle Vereinigungen Fuss gefasst haben. Doch nähere diesbezügliche Untersuchungen hatte der Leutnant immer mit oftmals fadenscheinigen Begründungen abgelehnt, und auch der Stadtrat hatte trotz Dranners eindringlichen Warnungen den Vorfällen keine Beachtung geschenkt. Beweise hatte er bisher keine gehabt, doch das mochte sich nun ändern - und nicht einmal der Leutnant würde sich dann sträuben können, ohne sein Gesicht zu verlieren.

Wenn Dranner auch das gnädige Hilfeangebot der Prinzessin im ersten Moment als herablassend empfindet, so entgeht es ihm doch nicht, dass die Abenteurer offenbar ehrlich besorgt sind und ihre Bereitschaft zur Hilfe ernsthaft zu sein scheint. Seine Aversion gegenüber "Reinblütigen" bleibt zwar bestehen, aber schliesslich ist die Elfe ja auch nicht hier, um mit ihm ein gemütliches Bier zu trinken, und ehelichen soll er sie auch nicht.

"Was die Schmuggler und Piraten angeht, werden wir entsprechende Schritte unternehmen, sobald sich die Lage in der Stadt wieder stabilisiert hat." beginnt Dranner schliesslich, wobei er langsam und betont spricht, um seinen Ärger zu verbergen. "Der Zeuge ist dabei von großem Wert. Ich werde Euch später noch über ihn befragen. Was den Dämon betrifft..."

Der Feldwebel seufzt. Noch immer hat er Mühe, seinen nur wenig gedämpften Zorn zu unterdrücken. Ich muss mich auf die Situation konzentrieren! denkt er sich, bevor er mühsam beherrscht fortfährt:
"In Rechem ist ein Dämon eigentlich nichts ungewöhnliches. Es gab Zeiten, in denen eifrige Magier unentwegt Dämonen beschworen im fatalen Glauben, man könnte diese Kreaturen auch zu nützlichen und guten Zwecken benutzen. Ich selbst kann mich noch gut an einen Vorfall erinnern, wo ein junger Magier einen Besen mit einer dämonischen Präsenz belebte, damit dieser sein Bad mit Wasser füllte. Damals ist fast die halbe Akademie abgesoffen und ein großer Teil der Stadt wurde überschwemmt. Erst einem beherzten Priester gelang es, den Dämon aus den mittlerweile zerstückelten Besenteilen zu vertreiben und damit den ständigen Wasserzufluss zu unterbinden..."

Der kurze Ausflug in die Vergangenheit hat den Feldwebel tatsächlich etwas beruhigt, so dass er nun mit normaler Stimme fortfährt:

"Wir ihr wisst, ist inzwischen das Beschwören jeder Art von dämonischer Energie in Rechem strengstens untersagt, und die Strafen für die Missachtung dieses Gebotes sind ausgesprochen hart. Doch von Zeit zu Zeit gibt es immer wieder Magier, die dagegen verstoßen. Ihr selbst seid mit Magister Sadrax hier eingetroffen, dessen kleine Gruppe von Dämonenbeschwörern erst vor nicht allzulanger Zeit enttarnt wurde, und von denen nur er flüchten konnte. Merkwürdig ist nur, dass der neue Dämon unerkannt sein Unwesen treiben soll. Normalerweise bleiben die dunklen Energien den Priestern nicht lange verborgen. Aber ich bin nur ein einfacher Feldwebel, der von diesen Dingen nichts versteht. Es ist sicher hilfreicher, wenn Ihr den Priestern und Magiern davon berichtet. Eigentlich müssten sie schon längst hier sein..."

Der Feldwebel schweigt einen Moment, bevor er forschend fortfährt:
"Wo ist Sadrax eigentlich? Seid ihr sicher, dass nicht er dahinter steckt? Es wäre nicht das erste Mal, dass ein geflohener Dämonenbeschwörer zurück kehrt, um sich an seinen Häschern zu rächen..."