Stirnrunzelnd hat Dranner seinen Gästen zugehört. Er fühlt sich nach deren Beschwichtigungsversuchen keineswegs besser und hat noch immer das Gefühl, dass jemand direkt in seinen Kopf hineinschaut und seine Gedanken liest - eine beängstigende Erfahrung für einen altgedienten Wächter, der es bisher verstanden hat, seine Empfindungen den Vorgesetzten gegenüber weitestgehend verborgen zu halten. Schliesslich seufzt er und wendet sich dem verbannten Hüter zu.
"Wenn ich auch nur den geringsten Verdacht hätte, dass ihr oder eure Gefährten meiner Stadt Schaden zufügen wolltet, dann würdet ihr jetzt in Ketten in einer unserer Zellen liegen. Und glaubt mir - keine Elfenprinzessin könnte mich dabei aufhalten."
Für einen kurzen Moment blitzt in den Augen des Feldwebels das gleiche Feuer, dass schon am Hafen in ihm gebrannt zu haben schien, und verleiht seinen Worten eine nüchterne, greifbare Glaubwürdigkeit. Womöglich würde er sogar eine Elfenprinzessin verhaften, wenn er in ihr eine ernsthafte Bedrohung für Rechem sehen würde - ungeachtet den diplomatischen Folgen, die sich daraus ergeben würden. Der Augenblick hält nur kurz an, dann wirkt Dranner wieder müde und abgekämpft.
"Ich habe Euch bereits vor den Toren Rechems vertraut, und Eure Hilfsbereitschaft und die eurer Gefährten ehrt euch. Ich persönlich bezweifel auch, dass ihr irgendetwas mit den Vorfällen hier zu tun habt, denn die ersten Morde fanden statt, noch bevor ihr hier auftauchtet. Aber ihr seid in Begleitung von Sadrax, dem Dämonenbeschwörer unterwegs, und das wird den Priestern nicht lange verborgen bleiben, fürchte ich. Nun..."
Der Feldwebel räuspert sich und strafft sich etwas. Der misstrauische Blick, den er der Elfe zuwirft, ist nur kurz und kaum zu bemerken.
"Es ist nicht leicht, mit den heiligen Männern des Tempels umzugehen. Die meisten von ihnen sehen in jedem, in dessen Augen nicht die Feuer der Scheiterhaufen der Inquisition lodern, einen potentiellen Ketzer und stehen ihm entsprechend misstrauisch gegenüber. Wer einmal das Misstrauen der Priester erlangt hat, der steht bereits mit einem Bein in den Verliesen der Inquisition - und ich habe noch von niemandem gehört, der diesen Ort lebendig oder geistig gesund wieder verlassen hätte."
Der Feldwebel verstummt kurz und wirft einen erneuten Blick auf die Elfe, bevor er fortfährt:
"Gut möglich, dass die Priester Eurer Geschichte Glauben schenken. Aber ich fürchte, dass für sie die Tatsache an sich viel uninterssanter ist als der Umstand, dass ein einfacher Krieger etwas von einem Dämon weiß. Ich fürchte, durch Euer Wissen sehen sie in Euch schon eine Art Dämonenpaktierer..."
Erneut macht der Feldwebel eine kurze Pause.
"Auf jeden Fall solltet ihr den Priestern mit Respekt gegenübertreten, denn sie verfügen über große Macht. Meiner Erfahrung nach bringt es nichts, ihnen Einzelheiten vorzuenthalten. Sie mögen vielleicht nicht in der Lage sein, in Euren Kopf einzudringen - obwohl ich mir da nicht mal so sicher bin -, aber auf jeden Fall spüren sie es sehr genau, wenn man sie anlügt oder ihnen nicht die ganze Wahrheit erzählt - und das erweckt ihr Misstrauen erst recht. Offenheit kann ihnen gegenüber manchmal Wunder wirken."
Nach kurzem Zögern fügt Dranner leise hinzu: "Aber das kann auch schiefgehen! Ein Gespräch mit einem Priester ist immer ein zweischneidiges Schwert. Verheimlicht Ihr etwas, hält er Euch für jemanden, der im Verborgenen unheilige Rituale vollzieht. Erzählt Ihr ihm alles, können Euch Eure eigenen Worte auf den Scheiterhaufen bringen..."
In einer Geste der Resignation zuckt Dranner mit den Schultern.
"Letzlich wird es davon abhängen, wer mit Euch redet. Nicht alle Priester sind so. Einige von Ihnen sind durchaus auch vernünf... ich meine, ihr Eifer beschränkt sich auf ein gesünderes Maß. Gesünder für ihre Mitmenschen..."
Ein schwaches Lächeln spielt um die Mundwinkel des Feldwebels. Vielleicht soll es aufmunternd oder ermutigend wirken. Vielleicht soll es sagen Kopf hoch, so schlimm wird's schon nicht werden! Um jemanden auf einem Scheiterhaufen zu verbrennen, brauchen selbst Priester zuallererst einmal viel trockenes Holz!
"Was die Magier betrifft... Sie verlangen Respekt mehr denn jeder andere. Sie sind den Priestern durchaus ebenbürtig, doch da sie nicht im Namen eines Gottes sondern nur in ihrem eigenen Namen handeln, fühlen sie sich als Elite. Und als solche möchten sie auch behandelt werden. Ihr mögt das für eitel halten, doch es ist durchaus gefährlich, einen Magier zu übersehen oder ihm zu verstehen zu geben, dass man ihn nicht für den Mittelpunkt des Universums hält. Die Überheblichkeit vieler Magier wird nur noch von ihrer Rachsucht übertroffen - und die Rache eines Magiers kann sehr... unangenehm sein! Versucht, jede Frage eines Magiers zu beantworten, wenn ihr könnt. Wenn Ihr dazu nicht in der Lage seid, so gebt ihm wenigstesn zu verstehen, dass er Eure Aufmerksamkeit geniesst. Bindet einen Magier immer in Eure Gespräche ein. Nichts erzürnt einen Magier mehr, als wenn Entscheidungen in seiner Anwesenheit getroffen werden, ohne seinen ausdrücklichen Rat einzuholen - wahrscheinlich fühlen sie sich dann unwichtig oder überflüssig oder so. Und das solltet Ihr vermeiden! Gebt Ihnen das Gefühl, wichtig zu sein! Ansonsten... nun Magier sind bereit, das Unglaublichste für wahrscheinlich zu halten, aber an der Existenz ganz banaler und alltäglicher Dinge zu zweifeln. Ihr könntet behaupten, dass die Welt aus so kleinen Teilchen besteht, dass man sie nicht mal mit einem Vergrößerungsglas erkennen kann, und dass diese Teilchen im Prinzip alle gleich sind und nur ihre Kombination die Eigenschaften eines Gegenstandes bestimmen - und sie glauben euch das aufs Wort. Aber sagt ihnen, dass die Sonne um die Erde kreist - und ihnen fallen tausend Gründe ein, warum das nicht sein kann!"
Müde reibt sich Dranner an der Schläfe. Wann habe ich eigentlich das letzte Mal geschlafen? denkt er, bevor er fortfährt:
"Natürlich hängt es auch von dem Magier ab, mit dem Ihr euch unterhaltet. Einige von Ihnen sind recht gutmütig und verzeihen Euch auch mal einen Ausrutscher, ohne Euch gleich mit Pestbeulen zu belohnen. Aber in der Regel sind sie etwas... äh... kauzig und schwer zu durchschauen."
Der Feldwebel seufzt. "Aber es könnte gut passieren, dass Ihr Euch um Euch überhaupt keine Sorgen machen müsst. Priester und Magier sind wie Feuer und Wasser, und womöglich achten sie überhaupt nicht auf Euch, sondern lauern nur auf ein falsches Wort ihres Erzgegners..."