Marrik nimmt den veränderten Ton in der Stimme des Feldwebels mit Verwunderung und Missbilligung zur Kenntnis. Am Leuchtturm schien es noch so, als wüsste der Kerl, wo sein Platz ist, und jetzt spielt er sich so auf? Natürlich, unter den jungen Priestern gibt es ein paar Hitzköpfe, die manchmal etwas voreilig sind, aber Aufruhr und Landfriedensbruch? Kein Angehöriger des Tempels wäre derzeit so dumm, öffentlich gegen den Herzog zu wettern, da ist Marrik sich sehr sicher.

Aus dem Augenwinkel heraus sieht er hinüber zu Tork Emada, der jedoch nicht gleich zu einer Entgegnung ansetzt. „Habt Ihr keinerlei Achtung vor den Gepflogenheiten unserer Stadt?“, macht Marrik seinem Ärger daher Luft, „Meint Ihr, es wäre klug, die Autorität des Tempels und des Hohepriesters so in Frage zu stellen? Das ist keine Art und Weise, mit einem Vertreter der Götter umzuspringen, das sollte Euch bewusst sein! Kein Wunder, dass die Sitten immer mehr verfallen, wenn selbst die Gesetzeshüter mit so schlechtem Beispiel vorangehen. Habt Ihr vergessen, wie solche Fälle – was auch immer sich ereignet haben mag – in Rechem gehandhabt werden? Ihr bringt sie dem Tempel zur Kenntnis, und der Tempel ergreift geeignete Maßnahmen. Der Herzog hat wahrlich Besseres zu tun, als sich mit unseren inneren Angelegenheiten zu beschäftigen. Indem Ihr diese Regel missachtet, schadet Ihr selbst dem Ansehen und dem inneren Frieden Rechems!“

Empört schüttelt der Priester den Kopf. Insgeheim fragt er sich zwar, was Dakin wohl angestellt haben mag, dass es so weit kommen konnte, aber ganz gleich, was es auch ist, Dranner hat hier eindeutig seine Kompetenzen überschritten und die Priesterschaft durch sein übereiltes Handeln in ein schlechtes Licht gestellt, noch dazu vor Fremden. Das kann unter keinen Umständen hingenommen werden, und da hilft auch das leise Zugeständnis, Dakin in die Obhut des Tempels überführen zu wollen, nicht mehr. Der Herzog ist verständigt, die Sache ist ins Rollen gekommen – jetzt wird sie nicht mehr intern und ohne Aufsehen zu bereinigen sein. So ein Idiot!

„Wir haben hier einen aufrechten und frommen jungen Mann vor uns.“, fährt Marrik mit belehrendem Unterton fort, ohne ganz von seinen eigenen Worten überzeugt zu sein, „Es bestand zweifellos keine Notwendigkeit, seinen Namen und den seiner Familie durch solche Maßnahmen zu beschmutzen. Jedermann weiß, dass die Priesterschaft in ihren Reihen selbst für Ordnung sorgt. Auch wenn ein Priester in seinem jugendlichen Übermut einmal über die Stränge geschlagen sein sollte.“

Fragend sieht Marrik den jungen Mann an, der sich bislang nicht gerührt hat. Der Wachsoldat hat zwar mittlerweile die Tür geschlossen, doch er steht mit Dakin noch dicht davor, und das nicht nur, weil es in der Wachstube inzwischen so voll geworden ist.

Dakin versteht den Blick des ranghöheren Priesters als Erlaubnis, nun endlich in die gleiche Kerbe schlagen zu dürfen. Dass er bleich geworden ist, liegt größtenteils nicht daran, dass er Angst vor Bestrafung hätte – wer auf Undar vertraut, dem muss so schnell nicht bange sein – sondern daran, dass ihm diese Vorwürfe so ungeheuerlich erscheinen. Ganz offenkundig versucht der Feldwebel, irgendein niederträchtiges Spiel zu treiben.

„Von Aufruhr und Landfriedensbruch kann selbstverständlich keine Rede sein.“, beginnt der junge Priester so ruhig und sachlich wie möglich, ohne ein zorniges Zittern seiner Stimme ganz verbergen zu können, „Und widersetzt habe ich mich der Stadtwache auch nicht. Wir waren am Hafen, um dem ungläubigen Elfenpack zu zeigen, dass es in Rechem unerwünscht ist, ja ... und vielleicht hätte der Volkszorn diese skrupellosen Mörder auch gleich für ihre Verbrechen bestraft. Aber sie – diese Kreaturen – sind keine Bürger Lorchems! Dem Herzog wäre ein Gefallen getan worden, ganz so wie mit der Vertreibung von Landstreichern ... oder der Abwehr wilder Tiere!“

Mit einem leichten Stirnrunzeln bedeutet Marrik seinem Glaubensbruder, dass er sich ein wenig mäßigen soll. „Die verständlichen Sorgen ehrbarer Bürger ernst zu nehmen, ist kein Verbrechen!“, beharrt Dakin leiser, aber mit Nachdruck. Dann wendet er sich an Tork Emada: „Es ist gut, dass Ihr hier seid, Hochinquisitor. Die Elfen haben das Volk am Hafen verhext! Und dieser Mann“ – er deutet auf Dranner – „hat sich dem Glanz Undars verwehrt. Wie es scheint, macht er gemeinsame Sache mit den Elfen. Das kann doch wohl kaum im Sinne Seiner Durchlaucht sein!“

Feindselig starrt Dakin die Abenteurer an, vor allem Big Claw. „Was hat diese ... Elfin hier überhaupt verloren?“, fragt er hasserfüllt, und man merkt, dass er statt Elfin lieber ein anderes Wort verwendet hätte. Gibt es eigentlich noch Bereiche unseres Lebens, in die sich die Spitzohren nicht einmischen?, ist er versucht hinzuzufügen, aber dann spricht er den Gedanken doch nicht aus. Es ist besser, wenn der Hochinquisitor selbst die Initiative ergreift, um diesem Komplott auf den Grund zu gehen.