Der Hafenbereich ist noch immer recht belebt, als die ersten Geschosse einschlagen. Zwar gehen nach der Aufregung nur wenige ihrer Arbeit nach, doch viele Hafenarbeiter und etliche andere stehen noch in kleinen Grüppchen zusammen.
Die Leute heben verwundert die Köpfe, als plötzlich Bewegung in das friedlich an der Kaimauer liegende Elfenschiff kommt. Zwar verstehen sie nicht die in der fremden Sprache gerufenen melodiösen Befehle, doch viele sind beunruhigt, als sie die vielen Bewaffneten in ihren eleganten Rüstungen sehen, die plötzlich das Schiff füllen und Bogenschützen, geschwind wie Spinnen, in die Takellage klettern.
Dann erfüllt plötzlich ein merkwürdiges Pfeifen die Luft, und krachend bersten etliche der Hafenballisten auseinander. Ungläubig starren die Bürger auf die zerrissenen Ruinen der Verteidigungsgeräte. Die Kriegsmaschinen waren zwar allesamt unbemannt, da Rechem mit niemandem im Krieg lag und keinen Angriff erwartete, aber was hätte nicht alles geschehen können, wenn sie besetzt gewesen wären! Ganz sicher hätte es Verletzte gegeben, möglicherweise sogar Tote! Was also sollte dieser grobe Unfug, dieser mehr als schlechte Scherz?
Unmut regt sich bei den Umstehenden, die ersten Schimpfkanonaden und Flüche werden laut. Noch bringt niemand die Zerstörung mit den dunklen Segeln in Verbindung, die in der Hafeneinfahrt aufgetaucht sind. Die turbulenten Ereignisse um Kai rund um das Elfenschiff sind keineswegs vergessen, und so richten sich viele Blicke auf das fremde Schiff. Manch einer mochte glauben, dass es einen Zusammenhang zwischen der hektischen Aktivität dort und den Zerstörungen gab. Griffen die Elfen die Stadt nun doch an?
Dann ist die Luft erneut mit dem unangenehmen Pfeifen erfüllt. Instinktiv ziehen die Leute die Köpfe ein. Einige Wenige, die schneller denken als ihre Kameraden, beginnen zu laufen. Die zweite Salve schlägt direkt auf dem Hafenpflaster ein, mitten unter den Leuten. Tausende scharfkantige Splitter fliegen umher und zerfetzten das Fleisch der Umstehenden, weiße, undurchdringliche Wolken stauben empor und brennen sich in Augen, Mund und Nase der Unglücklichen, die von ihnen erfasst werden. Schreie gellen empor, Verwundete wälzen sich auf dem Boden, ein Mann mit aufgerissener Bauchdecke versucht verzweifelt, seine hervorquellenden Gedärme zurück in die Bauchhöhle zu pressen. Und in das aufbrechende Chaos schlägt erneut eine Reihe von zerberstenden Geschossen ein und richtet weitere entsetzliche Verwüstungen an.
Einige Wächter deuten erregt auf die dunklen Segel, die sich weiter dem Hafen genähert haben, und die zu großen, starken Schiffen gehören. Inzwischen sind sie deutlich zu erkennen. Fassunglsos starren die Wächter zu den Fahnen, die an den Masten wehen.
"Das sind... das..." stammelt der junge Korporal tonlos. Dann nimmt er sich zusammen, und brüllt mit all seiner Kraft, wenn auch ein wenig heiser: "Piraten! Wir werden von Piraten angegriffen! Bringt euch in Sicherheit, Leute!"
Zumindest jene, die in seiner Nähe stehen, können in dem ausgebrochenen Chaos den Ruf verstehen, doch sie nehmen ihn auf und geben ihn weiter, und schon geht er durch die entsetzte Menge:
"Piraten!"
Nur Augenblicke später schlägt ein Geschoss direkt unter den Wächtern ein, die blutüberströmt zu Boden gehen.
"Flieht! Flieht!" hallt es über den Hafen.
Und die Leute beginnen in wilder Panik zu laufen, hinaus aus dem Hafenbereich, der sich in eine Hölle verwandelt hat, und hinein in die trügerische Sicherheit der schmalen Gassen, nur fort von diesem Ort des Grauens, fort, fort! Gellend schreien sie ihr Entsetzen und ihre Angst hinaus, und immer wieder rutschen sie auf dem durch das vergossene Blut schlüpfrig gewordenen Pflaster aus, straucheln, gehen zu Boden.
Doch nicht alle fliehen. Etliche, die eigentlich noch in der Lage wären davonzulaufen, bleiben zurück. Zu keinem klaren Gedanken fähig, taumeln sie wimmernd ziellos durch die Hafenanlagen oder versuchen, die Getroffenen fortzuziehen. Mehrere, die die volle Wucht des weißen, ätzenden Staubes abbekommen haben, wälzen sich hustend und röchelnd auf dem Boden oder torkeln halbblind über das Pflaster, unentwegt mit den Händen die verbrannten Augen reibend, obwohl dadurch die Verletzungen keineswegs gelindert sondern eher noch verschlimmert werden. Eine junge Frau hockt teilnahmslos neben einem Mann, dem ein Geschoss den halben Kopf weggerissen hat. Sie hat den zertrümmerten Schädel des Mannes in ihren Schoss gebettet und streicht immer wieder zärtlich über die zerfetzte Stirn, als könnte sie nur dadurch den angerichteten Schaden ungeschehen machen. Von dem apokalyptischen Durcheinander um sie herum scheint sie nichts wahrzunehmen.
Und so findet auch die nächste Salve zahlreiche Opfer...