Lu steigt steil in den Himmel - nur weg vom Lärm! Entsetzt hört er, wie unter ihm die ersten Geschosse in den Seelentöter einschlagen. Auch seine letzte Schwanzschuppe ist inzwischen durchsichtig geworden. Die zahlreichen Schauermärchen der Alten schießen ihm durch den Kopf. Was kann er nur tun, um seinen Gefährten zu helfen? Er muss ihnen helfen: ihre Aufgabe, er ganz alleine in einer fremden Welt ... Panik droht ihn in seiner verzweifelten Hilflosigkeit zu übermannen.
"Was soll denn das nun wieder", vernimmt er eine tadelnde Stimme in seinem Kopf. "Wie oft soll ich es Dir noch erklären? Du bist ein DRACHE!"
Wie nach einem Rüffel seines Lehrers zieht Lu den Kopf ein. Drache - Feuer, Feuer, FEUER! Er ist ein Drache! In seinem Rausch lässt er sich steil dem Piratenschiff entgegenfallen, das parallel zum Elfenschiff fährt, gerät so jedoch in den Grenzbereich des Geschützfeuers.
"Au, au, au, au", jammert er, als ihn Steine und Scherben treffen. Glücklicherweise sind seine Flügel intakt geblieben. Nein, er muss sich eine intelligentere Strategie ausdenken. Der Stimme in seinem Kopf scheint es für einen Moment die Sprache verschlagen zu haben. Er kann das Kopfschütteln geradezu spüren: "Es gibt auch kluge, nicht selbstmordgefährdete Drachen ...", meldet sie sich dann mit beißendem Spott zurück.
Lu schüttelt sich unwillig und kreist kurz in sicherer Höhe oberhalb des Piratenschiffs. Dann kommt ihm eine Idee. Er entfernt er sich von den beiden Schiffen, um sich dem Piratenschiff von der dem Elfenschiff abgewandten und somit unbesetzten Seite aus flach über dem Wasser zu nähern. Konzentration und der rasende Wunsch nach Vergeltung lassen seine eher kindlichen Zügen plötzlich hart erscheinen - könnte denn jemand etwas anderes als ein schwaches Flimmern von ihm sehen.
Wo nur soll er auf diesem schwankenden Ungetüm ungesehen landen? Mit einem leisen Knirschen krallt er sich zunächst mit allen Vieren an einen kleinen Vorsprung in der Seitenwand des Seelentöters. Skeptisch betrachtet er das Wasser nur wenige Meter unter sich. Nur einen kurzen Moment ausruhen und dann ...
Mit einem trockenen Knacken reißt die Luke, an die Lu sich geklammert hat, aus den Schanieren und stürzt mit dem sich weiterhin panisch festkrallenden Drachen dem Wasser entgegen.
Im letzten Moment kann Lu seine Flügel öffnen und das Holzbrett fallenlassen. Seine Angst vor dem Wasser setzt die Kräfte frei, die notwendig sind, um in einer irrwitzig engen Kurve zurück zum Piratenschiff zu fliegen und in der entstandenen Öffnung zu landen. Erleichtert schnaufend dankt er Przyjaciel Stone für das allmorgendliche Training und hüpft vorsichtig ins Innere des Schiffs.
Langsam gewöhnen sich seine Augen an die Dämmerung. Noch vor seinen Augen hat jedoch seine Nase erkannt, was er vor sich hat: mehrere Fässer mit der lustigen Spielflüssigkeit der Helden - wie hieß sie doch gleich? Ehre in Holzfässern ... RUM! Plötzlich scheint alles ganz einfach. Mit wütenden Tritten öffnet der kleine Drache eines der kleineren Fässer.
Vergeltung - und Hilfe für seine Gefährten! Mit einem bitteren Lächeln steckt er das Fass in Brand und verschüttet die brennende Flüssigkeit im Laderaum so gut er kann. Immer mehr Fässer fangen im Bauch des Seelentöters Feuer. Zufrieden steht er inmitten der immer höher schlagenden Flammen und genießt ihre Hitze. Riecht er nicht sogar noch ein wenig leckeren Schwefel?