Keuchend und frierend kniet Patarival in der stinkenden Dunkelheit. Heftige Übelkeit lässt vor seinen Augen Sterne tanzen.
Er versucht zu schlucken, doch sein schmerzender Hals ist vom heftigen Atmen ausgetrocknet.

Langsam gewöhnen sich seine Augen an die fast vollständige Dunkelheit. Zitternd hebt er die schmerzenden Hände. Von weit hinter ihm dringt ein wenig trübes Licht - und Schreie - bis zu ihm und spiegelt sich schwach im Blut an seinen Händen.

Eigentlich hat er nur Chumana suchen wollen. Vielleicht kann sie meine Hilfe brauchen, hat sich der Gelehrte gedacht und ist ihr aus der Kajüte hinaus gefolgt.
Chumana ist schnell gewesen (oder Patarival zu langsam), denn sie war nirgends zu sehen.

"Wo steckt sie bloss?" fragte er sich und sah sich um.
Vermutlich war sie von Bord gegangen. Vielleicht zu den anderen. Wo waren sie? In einer Akademie? Wachturm? Patarival war durch Chumanas Buch abgelenkt gewesen und hatte von der Besprechung nur einen Teil mitbekommen.

Doch noch bevor er von Bord gehen konnte, hörte Patarival den Ausguck des Schiffes rufen: Piraten!
Mit zusammengekniffenen Augen blickte der Gelehrte in die Richtung, in die der Elf wies. Es waren mehrere Schiffe auf Angriffskurs. Ob es nun Piratenschiffe waren oder nicht, konnte er nicht erkennen, vertraute aber den Adleraugen der Elfen. Und es war nicht nur eines oder zwei, nein, es waren eins, zwei, drei, vier...

"Ach, verdammt!"

Patarival rannte an die Reling. Die Leute hatten den Elfen natürlich nicht verstanden! Für sie war es nur ein weiterer Befehl der auf einem Elfenschiff gerufen wird - falls die Leute es überhaupt als Rufen empfanden.

Der Gelehrte holte Luft, um den Leuten eine Warnung zuzurufen, da schlug mit lautem Krachen irgendwo in der Nähe etwas.

Vielleicht haben sie Katapulte!

Es blieb keine Zeit, soviel war dem Gelehrten mit einem Schlag klar. Er musste von diesem Schiff runter! Aber wohin?
Die Planke, die vom Schiff herunter führte, war zu weit weg. Er musste runter und zwar sofort!

Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, stieg Patarival auf die Reling und sprang, just in dem Augenblick, als eine zweite Salve das Schiff traf.
Nur knapp reichte sein Sprung aus, um das gemauerte Dock zu erreichen und seine Landung war alles andere als sanft.

Ein scharfer Schmerz zuckte durch das rechte Fussgelenk und für einen Augenblick war es ihm unmöglich, wieder aufzustehen.
Gebrochen war der Fuss allerdings wohl nicht. Vielleicht verstaucht.
Wohin jetzt?

Die Leute hatten mittlerweile mitbekommen, dass die Stadt angegriffen wurde und Panik griff um sich.
Frauen und Männer rannten kreuz und quer durcheinander, Waffen wurden aus ihren Scheiden gezogen und Befehle wurden ohne grossen Erfolg über das panische Schreien der Bürger hinweg gerufen.

Hier konnte er nicht bleiben. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Angreifer den Hafen erreicht hatten und dann würde ein Gemetzel stattfinden - oder bis eine weitere Salve ihrer Katapulte im Hafen einschlagen würde. Dann würde Wegrennen nichts nützen. Er brauchte Deckung!

Patarival zögerte nur einen Augenblick und liess sich dann ins kalte Wasser gleiten. Verkrampft hielt er sich am gemauerten Dock fest.
Normalerweise hätten seine Kräfte niemals ausgereicht, um sich an einer Mauer festzuklammern aber bis zur Hüfte baumelte er in eiskaltem Wasser, das genügend Auftrieb hatte, damit er sein Gewicht halten konnte.

Und keinen Moment zu früh, denn kaum hatte er sich Deckung verschafft, hörte schlug mit einem ohrenbetäubendem Rumms die nächste Salve direkt im Hafen ein.
Was genau vor sich ging, konnte der Gelehrte nicht sehen, aber er hörte, wie sich die Schreie der Menschen unheimlich geändert hatten.
Waren es vorhin noch Rufe der Vorsicht und panische Schreie, man solle wegrennen, waren es jetzt Schreie von Schmerz... Todesqualen.

Irgendetwas traf Patarivals Finger. Viellecht herumfliegende Splitter von etwas, vielleicht ein Gegenstand, der herumgeschleudert wurde...

Er schrie vor Schmerz.

Aber er liess nicht los! Das hätte seinen Tod durch ertrinken bedeutet. Er biss die Zähne zusammen und wartete, bis die Welle des Schmerzes vorüber war. Beinahe hätte er die Besinnung verloren.
Mit kurzen, heftigen Atemstössen sammelte er sich wieder.

Ich muss hier weg!

Er hatte sich in eine Sackgasse manövriert. Vielleicht hatte dies ihm sein Leben gerettet aber wie sollte es nun weitergehen?
Vorsichtig versuchte er, mit den Füssen festen Boden zu finden. Nichts. Und schwimmen konnte er nicht.
Und langsam aber sicher verschwand im kalten Wasser jegliches Gefühl aus seinem Unterleib.
Aber dann sah er etwas: Nur ein paar Schritte von ihm entfernt war eine grosse Öffnung - vermutlich in die Kanalisation der Stadt. Das war sein Chance!

Mit schmerzenden Fingern zog er sich dem Dock entlang, Elle für Elle der Kanalisation entgegen, bis er schliesslich die Öffnung erreichte und sich mit letzter Kraft hinein zog.

Und jetzt kniet er da. Hinter ihm - im Licht - wartet Chaos und Tod. Vor ihm ist absolute Dunkelheit aber auch die Chance, dies hier zu überstehen.

Einmal mehr versucht Patarival tief durchzuatmen.
Die Kanalisation muss schliesslich irgendwo hinführen, versucht er sich selbst Mut zu machen und versucht aufzustehen.
Langsam bekommt er wieder ein Gefühl für seine Beine - doch mit dem Gefühl kehren auch die Schmerzen seines Fussgelenks zurück.

Mit der geschundenen Hand an der Kanalisationswand, um sich zu notdürftig zu orientieren, beginnt der Gelehrte, in die Dunkelheit zu humpeln.