Chumana lässt sich müde auf einen Stuhl in der leeren Kajüte sinken. Natürlich ist von dem Bücherwurm weit und breit nichts zu sehen. Mich würde es kaum wundern, wenn du gar nicht mehr auf dem Schiff bist, verdammter Narr! Es wird mich eine Menge Zeit kosten, dich mit Hilfe des magischen Gegenstandes wieder aufzuspüren, falls du in der Stadt bist. Sofern überhaupt noch genug von dir übrig ist, um es aufzuspüren. Man sollte dich zu deinem eigenen Schutz an die Leine legen!

Ein leises Summen lässt Chumana zusammenzucken. Das hat ihr gerade noch gefehlt. Als ob der Tag noch nicht anstrengend genug wäre!

Resignierend zieht Chumana ein Fledermausohr aus der Tasche und hält es sich vor den Mund. „Was kann ich für dich tun?“. Olle Nervensäge, denkt Chumana. Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen? Dann hält sie sich das Fledermausohr ans Ohr, um der Antwort zu lauschen.

„Ich will wissen, was los ist! Was hast du aus den Schwächlingen rausquetschen können?“, knurrt die Stimme, die aus dem Fledermausohr dringt.

„Na ja, da gibt es so ein, zwei kleine Probleme.“

„Wie lange warst du eigentlich in Ausbildung, hm? Alles schon wieder verlernt? Nimm dir gefälligst an mir ein Beispiel! Ich will keine dämlichen Ausreden mehr hören. Auf der Stelle machst du dich an die Arbeit, faules Stück!“

Chumana streicht sich müde die Haare aus der Stirn. „Wenn du mir was Gescheites beigebracht hättest, außer diesem Heilquatsch, würde ich das vielleicht sogar können.“

Die Stimme aus dem Ohr faucht Chumana grimmig an. „Wenn du besser aufgepasst hättest, würdest du nicht an solchen Kleinigkeiten scheitern! Jetzt setzt du deinen trägen Hintern augenblicklich in Bewegung!“. Aus dem Hintergrund ist ein klägliches Jaulen zu hören.

„Was machst du eigentlich für einen Aufstand?“, antwortet Chumana seufzend. „Ich habe mich doch jetzt in die Gruppe eingeschleust. Da wird sich schon eine Gelegenheit finden.“

„'Da wird sich schon' ist nicht gut genug!“, grummelt die Stimme, „Ich erwarte, dass du dir mehr Mühe gibst! Was glaubst du eigentlich, warum du mit einer so wichtigen Mission betraut worden bist? Und um die andere Sache kümmerst du dich auch demnächst, verstanden?“

„Warum ich mit dieser Mission betraut worden bin?“ Chumana hat Mühe, ruhig zu bleiben. „Das frag ich mich allerdings auch. Das hier ist bloß eine Gruppe von Herumtreibern, die an alte Ammenmärchen glauben. Ein Krieger mit mehr Muskeln als Hirn, eine gelangweilte Elfenprinzessin, eine zu groß geratene Echse, ein Halbelf, der allzu oft geistesabwesend vor sich hinträumt und ein weltfremder Stadtstreicher. Reine Zeitverschwendung. Keiner von denen ist was Besonderes oder hat irgendwelche überragenden Fähigkeiten.“ Und von dem seltsamen Kangee, dem Bücherwurm, der Statuette und der Hellebarde brauchst du gar nichts zu wissen, du alte Vettel. Wenn es dich nicht interessiert, was es hier für Probleme in Rechem gibt, selber schuld. Wo du dich doch sonst so sehr für Dämonen und sonderbare Vorkommnisse interessierst. Du erzählst mir immerhin auch nicht alles.

„Du willst mich doch nicht ernsthaft böse machen?“, fragt die Stimme drohend zurück, dann herrscht Stille im Fledermausohr.

Seufzend steckt Chumana das Ohr zurück in die Tasche. Kann das Biest nicht einfach mal Ruhe geben? Was würde ich darum geben, nur mal für eine Woche nichts von der Alten zu hören. Warum habe ich dieses verflixte Ohr nur nicht im Hafenbecken verloren. Einen klitzekleinen Moment spielt Chumana mit dem Gedanken, das einfach nachzuholen.