Mit einem triumphierenden Lachen zieht der Pirat den Säbel aus dem Leib seines Gegners. Aus der Seite des Mannes fließt ein Strom von Blut, er taumelt bereits und sein Atem geht keuchend - doch er ist als Letzter von der kleinen Schar übriggeblieben, und jetzt würde ihm der ganze Schatz alleine gehören. Die Wunde an seiner Seite ignorierend stolpert er einige Schritte vor, wo der funkelnde, faustgroße Edelstein blutbesudelt im Schmutz der kleinen Gasse liegt. Als er den Stein aufhebt, sinkt er vor Schwäche auf die Knie - obwohl keine lebenswichtigen Organe verletzt sind, ist der Blutverlust sehr hoch. Doch die Gier des Piraten ist größer als seine Vernunft, und anstelle zuerst die Wunde zu verbinden und den Blutstrom zu stillen, hält er den Edelstein dicht vor sein Gesicht, um sich am Anblick des kostbaren Juwels zu ergötzen.

Der Zauber, der sich in dem Stein verbirgt, ist nicht besonders stark. Zu wenig Zeit war gewesen, ihn auszuführen, und in Anbetracht der bedrohlichen Situation hatte sich vielleicht auch die ein oder andere Unsauberkeit eingeschlichen. Mit einem letzten, besonders schönen Funkeln verbraucht sich nun die Magie, die der Illusion ihre Kraft verliehen hat. Ein leichtes Zittern läuft über den Stein, der Glanz wird stumpf und dann verlischt sein Feuer.

"Was, beim Klabautermann..." entfährt es dem Piraten, als der Stein immer weicher wird.

Ein hysterisches Kichern schüttelt den Mann. Langsam sinkt er zur Seite, den Blick wie gebannt auf seine Hand gerichtet, die eben noch einen Edelstein von unschätzbarem Wert hielt.

"'ne handvoll Pferdemist!" gluckst er, "Nichts weiter als 'ne handvoll stinkende Scheiße!"
Kraftlos, vom Blutverlust geschwächt, öffnen sich die verschmierten, übel riechenden Finger der Hand. Der Körper des Mannes zuckt noch einmal kurz, dann streckt er sich, und mit einem letzten leisen Seufzen entweicht sein Lebensatem.

Am ganzen Leibe zittend sinkt Galef auf die Knie. Die ganze Zeit hatte er sich mit beiden Händen den Mund zugehalten, um nicht zu schreien und so womöglich die Piraten auf sich aufmerksam zu machen. Der Anblick von Blut ist dem jungen Magier zwar durchaus vertraut - immerhin stellt Blut ein wichtiges Hilfsmittel bei einer Reihe magischer Formeln dar - doch ein Fingerhut voll Blut war das eine, Blutfontänen, die aus den Leibern lebendiger Männer hervorschossen dagegen etwas ganz anderes. Und noch nie hatte Galef einen Menschen sterben sehen, erst recht nicht auf eine solch brutale und gewaltsame Weise - hier hatte er gleich mehrfache Gelegenheit gehabt, das nachzuholen. Zuzusehen, wie das Leben langsam aus einem Menschen heraussickert, wie die Bewegungen immer kraftloser werden und schliesslich der Glanz in den Augen erlischt und sie blind und stumpf in die andere Welt blicken - das ist für die Nerven des Jünglings zu viel, und mit einem Schwall erbricht er seinen Mageninhalt auf das vom Blut glitschige Pflaster der Gasse. Wimmernd und schluchzend wirft er einen scheuen Blick auf das schaurige Schlachtfeld, und sein Magen krampft sich erneut zusammen und schüttelt den Körper des jungen Mannes.

Das hatte er nicht gewollt! Ein solches Gemetzel hatte er doch nicht voraussehen können! Er wollte sie doch nur ablenken! Wie hätte er auch ahnen können, dass sie über den vermeintlich wertvollen Stein ein solches Aufheben machen würden! Ein bisschen Streit, ja, vielleicht - aber sich deswegen gleich einander umbringen? Und er war dafür verantwortlich! Wieso war er nur hierhergekommen? Er hätte... Ernestine!

Die Erinnerung an seine Freundin lassen den Magier wieder zu sich kommen. Er weiß, dass ihn das Bild dieser Bluttat und das Gefühl, für den Tod dieser Menschen verantwortlich zu sein bis an sein Lebensende verfolgen wird. Doch es gab einen Grund dafür, das er hier war, und wenn er sich jetzt nicht zusammennahm, dann würde er vielleicht durch sein Zögern noch mehr Unheil anrichten.
Entschlossen wischt er sich mit dem Ärmelsaum seines Umhangs über den Mund und springt auf. Ein letzter Blick auf die nun still ruhenden, finsteren Gestalten, dann wendet er sich hastig ab und eilt die Gasse entlang, dorthin, wo er seine geliebte Ernestine vermutet.