Manche nennen es Voodoo, aber Mkele Mbembe nennt es "Zauberei".
Sie ist die unumstrittene Königin der Heiler der Unterwelt Rechems, und sie kennt sie alle, vom armseligsten Bettler bis zum aufstrebenden Ganoven.
In ihre Höhle mit Anschluß an Rechems Abfluß-System liegen bereits mehrere schwer verwundete und einige leicht Verletzte der Schlacht gegen die Piraten.
Hier herrscht ein Feuer aus einem gewaltigen Kessel in der Mitte der Halle, das die Luft trocken und somit keimfrei hält. So wurde es ihr überliefert. Schon ihre Großmutter sagte immer zu ihr, daß trockene Luft besser zur Heilung sei, während feuchte Luft nur das Wachstum von Schimmel und Pilzen begünstige.
Was diese Höhle einmal gewesen sein mochte, weiß niemand hier. Sie ist schon zu alt, aber ihre glatten, erdbraunen, kaum verzierten Steinwände, die an einigen Stellen mit matten, grünen Kacheln gefliest sind,auf denen die flackernden Schatten des Feuers zu sehen sind, und der feste Fußboden zeugen von einer früheren Verwendung. Hier wurden Techniken verwendet, die heutzutage niemand mehr kennt, da sind sich alle einig.
An einer Wand steht ihr Thron, und sie selbst - eine rundliche Gestalt mit schwarzen, zu Zöpfen geflochtenen Haaren und grüner Kleidung - huscht nun von einem Patienten zum nächsten, schaut nach seinem Befinden, und brüllt - wenn nötig - Befehle in den Raum, die pflichtbewußt von einigen Streunern und anderen Unterweltwesen erfüllt werden.
Hier sind sie alle vereint, die von der Rechemer Gesellschaft ausgestoßen wurden : Echsenwesen, pelzige, dunkle Tiiirländer aus der Region Tiiir, die für ihre barbarischen Sitten und seltsamen Bewohner bekannt ist, ehemalige Kurtisanen, Streuner, Bettler, ehemalige Reiche, die mit dem Untergang oder der Kaperung ihres Handelsschiffes alles verloren haben, was sie besaßen, Schiffbrüchige fremder Länder, Waisen, einige Schmuggler, eine junge zauberkundige, die sie einfach "die Hexe" nennt, die aus einer fernen Gegend kam, deren Rand Mkele Mbembe selbst einmal bereist hatte, und gefallene Zauberkundige, manch einer davon ein Dämonologe. Ja selbst Mischwesen und Bastarde stehen unter ihrer Fittiche. Aber keine Verbrecher. Mörder und Halsabschneider duldet Mkele Mbembe nicht.
Sie ist die große Heilerin der Unterwelt Rechems, und jeder muß zu ihr hingehen. Selbst "die Bosse da oben", wie sie die machtgierigen Könige und Kaiser der Unterwelt nennt. Und jeder muß sich in seinem Leben ein Mal vor ihr verbeugen.
Aber nun hat sie andere Sorgen. Es gilt, das Leben derer zu schützen, die in dem Kampf gegen die unseligen Piraten gefallen waren.
Sie hat nie einen Hehl daraus gemacht, daß sie die Piraten nicht mochte. Aarno zum Beispiel hier hatte durch ihren Angriff auf sein vollbesetztes Handelsschiff alles verloren, was er hatte - seine Besatzung hatte sich größtenteils retten können. Er ging, nachdem er seine Schulden nicht mehr bezahlen konnte, in den Untergrund, und einige aus seiner Besatzung gleich mit.
Die Piraten gehören nicht zu Rechem. Für Mkele Mbembe sind sie Parasiten, Aussätzige, Ausgestoßene, die wie Blutegel Rechems Lebensader - den Handel - anzapfen. Darum unterstützt sie den Kampf gegen sie - auf ihre Weise.
Die, die Mkele "die Hexe" nennt, bemüht sich derweil in einer stilleren Ecke der - für Untergrundverhältnisse gewaltigen - Höhle, zusammen mit den Zauberkundigen einen "Kräuterschnaps", wie Mkele ihn immer unter dröhnendem Gelächter nennt, zu brauen. Die Rezeptur stammt von ihr, Mkele, und sie hatte die Hexe und ein paar Streuner ausgeschickt, ihr die dafür nötigen Kräuter zu holen. Was einige Lernprozesse bei den kräuterunkundigen Streunern erforderte. Doch nun ist das Gebräu fast fertig, und kann an die stöhnenden, wimmernden und heulenden Verletzten ausgeschenkt werden.
An der Türe kommt etwas Unruhe auf. Ein Schwerverletzter wird gerade hereingetragen, er scheint ohnmächtig zu sein. Schnell bellt Mkele ein paar Befehle zur nächststehenden Bettlerin, sie solle sich um den Verletzten kümmern, den sie gerade behandelte.
Dann läuft sie - so schnell ihr rundlicher Körper sie trägt - zu dem Neuankömmling hin. "Legt ihn dahinten hin", ordnet sie gleich an, während sie ein paar Gesten macht, die sie von ein paar Hexen gelernt hat. Das soll eine Art Schutzzauber sein, erklärten diese ihr damals auf ihrer Reise.
Sie begleitet den Schwerverletzten, der eine Uniform trägt ... aber das ist nun egal, alle Feinde der Piraten sind jetzt und hier ihre Freunde.
Während er abgelegt wird, untersucht sie seine Wunden. Jemand muß auf ihn einen leichten Heilungszauber gesprochen haben, das erkennt sie an der Art, wie sie im Frühstadium der Heilung sind. Trotzdem sie immernoch schwer sind, befindet sich der Unbekannte auf dem Weg der Besserung. Ohne diesen frühen Heilzauber, den Mkele Mbembe vermutet, währe er sicherlich tot, da ist sie sich sicher.
Vorsichtig schneidet sie die Blutdurchtränkte Kleidung an einigen Stellen ab, an denen sie Wunden vermutet. Dann ruft sie "die Näherin" herbei, ein vollkommen gefühlloses Echsenwesen (jedenfalls nach menschlichen Standards), die auf ihr Zeichen hin beginnt, die Schnittwunden mit einem starken Mittel zu reinigen und zu vernähen. "Ein Glück, daß er ohnmächtig ist", denkt Mkele, "so macht er wenigstens keinen Krach." Und in der Tat hat schon so mancher die Arbeit dieser starken Reinigungsflüssigkeit mir lautem Schreien "begrüßt".
Bei einem Blick hinüber zu dem Kessel, in dem der "Kräuterschnaps" brodelt, bekommt sie mit einem Nicken der Hexe die Rückmeldung, daß dieser fertig ist. Schon oft hatte sich Mkele Mbembe darüber gewundert, warum seit der Übernahme dieser Aufgabe durch die Hexe Alkohol ein fester Bestandteil des "Kräuterschnapses" geworden war, aber die Hexe hatte ihr immer erklärt, daß sich die wirklich wichtigen heilungsfördernden Bestandteile in Alkohol besser lösen ließen und haltbarer seien.
Mit einem Nicken zurück gibt Mkele die Erlaubnis, der "Schnaps" zu verteilen und auszuschenken. Sofort ruft die Hexe ein paar Helfer herbei, die Trinkgefäße, Schüsseln und Beccher jedweder Größe tragen, und sich mit einer Kelle füllen lassen. Dann tragen sie sie zu den Verletzten.
Nachdem sie selber ein paar Zaubergesten gemacht und dem Verletzten ein Amulett auf die Brust gedrückt hat, ruft Mkele einen der Zauberkundigen herbei, und bedeutet ihm, auf den Ohnmächtigen einen Heilzauber zu sprechen.
Dieser stutzt erst. "Aber Mkele, weißt du denn nicht, wer das ist ?" fragt er seine Chefin mit trockener, reibeisenähnlicher Stimme. "Nein, warum sollte ich ? Ich habe mit der Oberwelt nichts zu tun," antwortet sie
"Das hier ist ein Wächter der Stadtgarde," erklärt der Zauberkundige mit seiner trockenen Reibeisenstimme, "siehst du nicht seine Uniform ? Irgendetwas muß ihn verdammt schwer erwischt haben. Mag sein, daß wir da einen Gegner wieder ins Leben zurückholen ... Oder meinst du nicht auch, das wäre eine gute Gelegenheit, ihn später mal um einen kleinen Gefallen zu bitten ?" denkt er laut nach.
Mkele findet diese Idee gar nicht mal so uninteressant ... "Könnte sein ..." antwortet sie nachdenklich, "aber nun sieh erstmal zu, daß du deinen Heilzauber sprichst ! Wir können immernoch später darüber reden !" Nickend macht sich der Zauberkundige an's Werk.
Dann geht sie weiter, den Zustand der anderen Verletzten und die Ausgabe des "Schnapses" begutachtend.
Last edited by AlrikFassbauer; 13/08/07 09:17 AM.