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Hm, hast Du vorher gerne gelesen, und dann, als man in der Schule lesen mußte, gesagt: Das war blöd, deswegen macht mir Lesen, auch die Sachen, die ich vorher gerne gelesen habe, jetzt auf einmal keinen Spaß mehr?

Ich lese nach wie vor gerne... nur rege ich mich darüber auf, daß ich während meiner Schulzeit die Pflichlektüre größtenteils nicht gerne oder gar nicht gelesen habe. Desweiteren behaupte ich, daß sicherlich nicht jeder Schüler aber doch wohl der eine oder die andere durchaus den Spaß am Lesen erst gar nicht gefunden oder eventuelle sogar verloren haben durch die Art und Weise, wie Lesen in der Schule behandelt wird.
Gedichte z.B... Zuerst wird stupide auswendig gelernt und vorgelesen, dabei wird nicht mal gescheit auf die richtige und schöne Rezitation geachtet. Später wird dann intensivst interpretiert - dabei aber immer schön in den vorgegebenen Strukturen. Daß Lyrik einfach auch mal Spaß machen kann, ohne daß man dabei auswendig lernt oder sich einen Wolf interpretiert, bleibt dabei auf meist auf der Strecke.
Zwei andere Beispiele:
1. In der 9. Klasse oder so sollten wir ein Buch unserer Wahl vorstellen. Ich hatte extra nachgefragt, und unsere Lehrerin hatte ausdrücklich gesagt, daß es keinerlei Beschränkung gäbe. Also stellte ich das Buch vor, das ich gerade las - es war der recht durchschnittliche Horror-Roman "Ort der Grauens" von Dean R. Koontz. Sicherlich, nicht gerade Topliteratur, aber gerade zu der Zeit grassierte die Stephen-King-Epidemie bei uns und jeder las irgendwelche King-Bücher. So gesehen, war ich mit Koontz also am Puls der Zeit. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" /> Auch mein Referat war recht nett... nichz allzu vernichtend, durchaus unterhaltsam, wie ich an der Reaktion der Mitschüler bemerkte, und wohl auch informativ im Rahmen dessen, was das Buch hergab. Meine Lehrerin allerdings stand an der hinteren Wand und schüttelte andauernd den Kopf und hielt die Hand vors Gesicht... am Ende bekam ich eine 3-4 oder so.
2. Wir lasen "Homo Faber" von Max Frisch... und sollten irgendwie eine kurze Interpretation schreiben. Mit zwei Freunden stellte ich in unserer Interpretation hieb- und stichfest anhand von Textstellen fest, daß der Protagonist u.a. ein pädophiler Sodomist wäre, und behandelte auch die Stellen, die darauf hinwiesen, daß die durchaus sinnvolle Trennung von Fiktion und Realität nicht zuzutreffen schienen und Max Frisch die Qualitäten seines Protagonisten in mehr oder weniger extremer Form teilen würde. Die Deutschlehrerin war gar nicht angetan von dieser Lesart und wies unsere Interpretation erbost als Blödsinn zurück.

Nun bin ich Gott sei Dank nicht so empfindlich bei herber Kritik gegenüber meinen Werken - im Gegenteil, ich wäre sogar schockiert, wenn dem nicht so wäre. Aber diese beiden Beispiele aus meiner frühen Jugend haben sich doch in meine Erinnerung eingebrannt... sie zeigen mir persönlich, wie festgefahren die Situation in Schulen war und wohl immer noch ist. Und ich kenne durchaus den einen oder die andere, die durch solch eine strikte "Traditionalität" empfindlich in Bezug auf Literatur und ihren Umgang damit gestört wurden.


Nigel Powers: "There are only two things I can't stand in this world. People who are intolerant of other people's cultures... and the Dutch!"