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Im Visier: die Vereinigten Staaten von Amerika

Manfred Nowak ist Uno-Sonderberichterstatter für Folter. Der Kampf gegen die Barbarei ist sein tägliches Geschäft. Im Visier hat er jedoch nicht nur die Schurkenstaaten, sondern auch die selbsternannten Verfechter von Demokratie und Menschenrechten: die USA.

... Im Visier hat der Menschenrechtsexperte derzeit allerdings einen Staat, der nicht zu den sogenannten Schurkenstaaten gehört, im Gegenteil, es ist ein Staat der sich selbst rühmt, als Sturmgeschütz weltweit Demokratie und Menschenrechte zu verteidigen: die Vereinigten Staaten von Amerika. Nach den Terroranschlägen vom 11. September allerdings haben die USA nach Ansicht von Nowak ihre Unschuld verloren. Es sind vor allem die schärferen Verhörmethoden, die die Supermacht im Kampf gegen den Terror praktiziert, und die den Uno-Experten auf den Plan rufen: US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ließ eigens für das irakische Skandal-Gefängnis Abu-Ghureib 24 "widerstandsbrechende Techniken" zu - das Verharren in schmerzhaften Positionen, die Bedrohung Gefangener durch Hunde oder die Befragung nackter Häftlinge. Es sind allesamt Methoden, die auch klassische Folterstaaten in ihrem Repertoire haben.

An dieser Politik der "ausgezogenen Samthandschuhe" (Ex-CIA-Chef Cofer Black) übt Nowak harsche Kritik: "Washington hat versucht, neue Standards zu setzen", sagt er. Eine gefährliche Entwicklung, der Uno-Mann fürchtet, damit könnten auch andere Staaten künftig verleitet werden, das Folterverbot laxer auszulegen. "Terrorbekämpfung muss auch im Rahmen des Völkerrechts möglich sein", fordert er daher kategorisch und er fügt hinzu: "Folter ist Unrecht, und zwar immer."

Also keine Einschränkung der Menschenrechte zum Zwecke der Terrorabwehr? "Es gibt eine Grenze", sagt Nowak. Im Fall des US-Gefangenenlagers Guantanamo sei diese eindeutig überschritten. "Über viele Jahre werden Häftlinge dort festgehalten, ohne Zugang zu einem unabhängigen Gericht, ohne Anklage. Wir haben genügend Beweismaterial zusammen." Jüngst veröffentlichten Nowak und seine Uno-Kollegen einen Bericht, in dem sie die Zustände in Guantanamo scharf verurteilen. Die Behandlung der Gefangenen, so die Schlussfolgerung der Experten, laufen auf unmenschliche und erniedrigende Behandlung hinaus. Die Zwangsernährung der Inhaftierten mit gewaltsam eingeführten Nasenschläuchen könne gar als Folter qualifiziert werden.

Eine Analyse voller Irrtümer, wiegelt dagegen das US-Außenministerium ab. Die Uno-Experten seien ja nicht einmal vor Ort gewesen, der Bericht basiere allenfalls auf Hörensagen. Damit trifft Washington tatsächlich einen wunden Punkt: Eigentlich wollte Nowak das Lager auf Kuba höchstpersönlich inspizieren. Doch Washington blockierte - wieder einmal wurden dem Berichterstatter schonungslos seine Grenzen aufgezeigt. Denn wie überall sollten die Inspektionen auch in Guantanamo zu den üblichen Bedingungen stattfinden. Das heißt Gespräche mit Häftlingen unter vier Augen, ohne Beisein der Wächter. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld lehnt dies jedoch kategorisch ab. Selbstverständlich könne Nowak kommen, lässt er gönnerhaft ausrichten, und leere Zellen inspizieren. Einen Kontakt zu den Häftlingen werde es allerdings nicht geben.

"Es ist schon skurril", sagt Nowak. "Ausgerechnet jene Regierung, die Peking aufgefordert hat, bei meiner Reise nach China die sonst üblichen Mindeststandards einzuhalten, verweigert diese nun selbst."

© dpa


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