Tja,
und das ist wohl nicht erst in der Neuzeit so.
"Schon die alten Römer..." heißt es ja manchmal so gerne - und in diesem Fall zu recht.
Ein echt "antiker" Findling der Zeit:
Antike - "Sieger über die Natur"[/b][b]Raubbau an der Natur, die Ausrottung ganzer Arten, Smog: All das gab es schon in
der Antike - und sogar erste Umweltaktivisten.
Von Paul Munzinger[color:"orange"]
"Ausbeutung der Erde"Es war eine Ironie des Schicksals, dass der Verfasser der "Historia Naturalis" im
Verlauf einer Naturkatastrophe ums Leben kam. Denn als einer der wenigen
seiner Zeit hatte Plinius im Zuge seiner Forschungen ein ausgeprägtes
Umweltbewusstsein entwickelt. So prangerte er den durch seine römischen
Landsleute verübten Raubbau an den natürlichen Ressourcen an und stellte die -
aus heutiger Sicht prophetische - Frage, "was für ein Ende die Ausbeutung der
Erde in all den Jahrhunderten finden und bis wohin die Habgier noch vordringen
soll".
Aus dieser Haltung heraus verstand er auch Ereignisse wie einen
Vulkanausbruch. Er erblickte darin die gerechtfertigte Rache der Erde am
Menschen: "Wir durchforsten alle ihre Adern und leben auf ihr dort, wo sie
ausgehöhlt ist, wobei wir uns noch wundern, dass sie zuweilen birst und zittert, wie
wenn dies nicht in Wahrheit aus dem Unwillen der heiligen Mutter Erde gedeutet
werden könnte."
Natürlich käme heute niemand mehr auf die Idee, ein Erdbeben oder einen
Vulkanausbruch als Ergebnis menschlichen Naturfrevels erklären zu wollen.
Dennoch ist der Versuch, eine Verbindung zwischen Naturerscheinungen und
menschlichem Handeln herzustellen, bemerkenswert.
"Dem Menschen aber", so Plinius, "erwachsen die meisten Übel vom Menschen".
Für die antike Einstellung zur Umwelt ist eine solche Haltung eher atypisch, was
Plinius selbst nur allzu bewusst war. Seine "Historia Naturalis" schließt mit den
Worten: "Nimm es gütig auf, Natur, dass unter den Bürgern Roms ich allein es bin,
der dich in deinen Werken verherrlicht hat."
Auch wenn man Plinius nicht eben die Tugend der Bescheidenheit attestieren
kann, dem Kern seiner Aussage ist nicht zu widersprechen. Grundsätzlich kannte
die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen in der Antike nur die Grenzen, die die
beschränkten technischen Möglichkeiten der Zeit ihr auferlegten.
"Wälder sind durch Äcker bezwungen"Das galt außer für den zeitgenössischen Bergbau in erster Linie für den
wichtigsten Rohstoff überhaupt: das Holz. Wo die Bevölkerung sich ausbreitete,
musste der Wald weichen. Waldrodungen schufen Platz für Anbauflächen - in den
Augen der meisten Zeitgenossen eine zivilisatorische Errungenschaft, ein Triumph
über die Natur.
Der Kirchenvater Tertullian jubilierte: "Wälder sind durch Äcker bezwungen, wilde
Tiere durch zahme vertrieben." Man trotzte der Natur ab, was sie von sich aus nicht
zu geben bereit war - und war darauf mächtig stolz. Der griechische
Naturphilosoph Demokrit steuerte auch noch das Rezept für ein aggressives
Lupinen-Schierlings-Gebräu bei, mit dem man das "Landwirtschaftsproblem Wald"
buchstäblich von der Wurzel an bekämpfen konnte.
Dabei waren die kurz- und langfristigen Folgen gedankenloser Waldrodung
durchaus bekannt. Schon Plato beschrieb detailliert den durch Kahlschlag
verursachten Erosionsprozess, der im Laufe der Zeit auf den attischen Bergen
rund um Athen unfruchtbare, verdörrte Hänge zurückgelassen hatte, wo einst "fetter
und weicher Boden"gewesen war.
Da sei, so Plato, nur mehr "das Knochengerüst eines Leibes übrig, der von einer
Krankheit verzehrt wurde". Allerdings mündete Platos Darstellung keineswegs in
einen Appell zu verstärktem ökologischen Bewusstsein; der Philosoph sah im
Verfall des Landes eher eine schicksalhafte Entwicklung als eine Folge
menschlichen Fehlverhaltens.
...
Als Axt im Walde taten sich daher kriegerische Staaten und Herrscher hervor: die
Seemacht Athen, die hellenistischen Großreiche, und vor allem die Römer. Da die
jeweils umliegenden Wälder bald nicht mehr ausreichten, um den Materialhunger
zu stillen, zogen staatliche Holzfäller gleich Borkenkäfern durch die Wälder der
Mittelmeerküsten. Der Historiker Karl-Wilhelm Weeber spricht von einer
"Nach-uns-die-Sintflut-Mentalität", der besonders die berühmten Zedern und
Zypressen des Libanon zum Opfer fielen. "Schändlich zerhauen", heißt es in der
Bibel, "steht der Libanon da."
...
Karge Mittelmeerlandschaft entstand erst im MittelalterAber die kahlen mediterranen Landschaften sind nicht, wie oft behauptet wird, dem
römischen Raubbau anzulasten. Die karge Mittelmeerlandschaft, die wir heute
kennen, entstand erst viel später: Die spanischen Wälder mussten größtenteils
den Interessen der mittelalterlichen und neuzeitlichen Schafzüchter weichen, die
Versteppung der östlichen und südlichen Mittelmeerländer war in erster Linie das
Werk der Türken und Araber, und weite Teile des italienischen Waldes fielen
tatsächlich dem Flottenbau zum Opfer - allerdings für englische und französische
Schiffe im 18. und 19. Jahrhundert.
In der Antike dagegen war gerade Italien für seine prächtigen Wälder bekannt.
Schon daher lässt sich von den Römern nicht im Nachhinein die Erkenntnis eines
Problems einfordern, mit dem sie zumindest nicht in seinen heutigen
Dimensionen konfrontiert waren.
...
Schwere Luft über RomDass Stadtluft krank macht, gilt nicht erst in Zeiten von Ozonloch und Feinstaub,
DDR-Zweitaktern oder Industrieschornsteinen. Unter diesen Problemen litten auch
die Bewohner der - im Gegensatz zu den mittelalterlichen Städten immerhin
kanalisationsbewehrten - Hauptstadt des Imperium Romanum. Glaubt man dem
römischen Schriftsteller, Philosophen und Staatsmann Seneca, ließ sich ein
Römer leicht von den Bewohnern des umliegenden Landes unterscheiden.
Der Großstädter, schrieb Seneca, verrate sich durch das ungesunde Äußere: sein
Teint sei auffallend blass, der Stress stehe ihm ins Gesicht geschrieben. Abhilfe
verspreche höchstens ein erholsamer Aufenthalt im Grünen, um Sonne, Ruhe und
neue Kraft zu tanken. Die Flucht aufs Land stand aber nur den wenigen Reichen
offen, die ein Anwesen im Grüngürtel rund um Rom besaßen. Der offenbar
beträchtliche City-Smog über Rom - von Seneca als erdrückende Schwere der
Stadt (gravitas urbis) bezeichnet - mischte sich zusammen aus Küchenqualm,
Straßenstaub und dem Rauch von Leichenverbrennungen, den der Wind in die
Stadt trug.
Eben Seneca war es auch, der die ausufernde Bautätigkeit der Römer als
Verbrechen am Antlitz der Natur missbilligte: "Wie lange noch, dann gibt es keinen
See mehr, in den nicht die Giebel eurer Villen schauen! Keinen Fluss, dessen Ufer
nicht eure Landsitze umkränzen! Überall, wo die Meeresküste zu einer Bucht
einschwingt, werdet ihr Fundamente legen zu einem weiteren Palastbau!" Wie sehr
erinnern diese Klagen an heutige Zustände, an die zugepflasterten und verbauten
Küsten an der Adria oder an Spaniens Badeküsten.
...
"Um der Ehre der Römer willen", schrieb der Althistoriker Jérôme Carcopino,
"würden wir gerne dieses Blatt aus dem Buch ihrer Geschichte herausreißen."
Dies umso mehr, als besonders gern präsentierte "Bestien" in bestimmten
Gebieten tatsächlich ausgerottet wurden.
Im 4. Jahrhundert gab es in Unterägypten keine Nilpferde mehr, keine Elefanten
und Nashörner mehr in Nordafrika, keine Löwen mehr in Griechenland, keine Tiger
im nördlichen Iran. Für die Römer bedeutete das in erster Linie ein Ärgernis,
mussten doch die tierischen Attraktionen von noch weiter her in die Hauptstadt
gebracht werden. Ein Problembewusstsein hatte auch das Verschwinden der Arten
nicht ausgelöst; vielmehr sah man darin sogar das wünschenswerte Vordringen
der Zivilisation.
"Spectant victores ruinam naturae - als Sieger blicken sie auf den Zusammenbruch
der Natur" - dieser Ausspruch des Plinius mag damals polemisch überspitzt
gewesen sein. Mittlerweile klingt er freilich wie eine resignative Bestandsaufnahme
- vor allem, wenn man "siegesgewiss" durch "untätig" ersetzt.[/color]
Ragon *auf Holz klopf*
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